Fatale Irrtümer des finanziellen Fundamentalismus – die Illusion der Ricardianischen Äquivalenz

Dollar symbol

Eine Abhandlung über die Ökonomie der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage

Irrtum Nr. 9: die abwegige Illusion der Ricardianischen Äquivalenz

Der negative Effekt der überbordenden Belastung im Angesicht der erhöhten Verschuldung würde, so wird behauptet, die stimulierende Wirkung des Defizits aufheben. Diese drastische (Fehl-)Hypothese entsteht meist durch das Versäumnis, die wirtschaftliche Situation im Detail zu analysieren.

Analytische Realität: Diese These der „Ricardianischen Äquivalenz“, die zwar immer wieder gern David Ricardo zugeschrieben wird, wurde am Ende allerdings von ihm selbst auch wieder verworfen. In jedem Fall hängt die Gültigkeit dieses Theorems entscheidend von dem verwendeten Steuersystem ab, mit dem der Schuldendienst finanziert werden soll.

In dem Extremfall einer georgistischen Ökonomie, die ausschließlich eine „Einheitssteuer“ (engl. single tax) auf Grundstückswerte verwendet, und in der sich die Grundstückswerte voraussichtlich proportional im Laufe der Zeit entwickeln werden, bildet jede Forderung in der Tat eine kollektive Hypothek auf die Landparzellen.

Jede Erhöhung der Staatsverschuldung als Ausgleich einer aktuellen Steuersenkung drückt den Marktwert des Landes um den gleichen Betrag, das aggregierte Vermögen des Einzelnen wird dadurch nicht verändert, die Ricardianische Äquivalenz ist damit vollständig und die reine Finanzpolitik erweist sich somit als impotent.

Höhere Schulden könnten dann immer noch wünschenswert sein, um die Vorteile von möglicherweise niedrigeren Zinsen für die Staatsverschuldung gegenüber denen einzelner Hypotheken zu nutzen und Immobilien mit einer effektiv viel eher annehmbaren Grundschuld zu versehen, welche zusätzlich auch noch die Finanzierung weiterer Transfers erleichtert. Und eventuell besteht noch die Möglichkeit, die Wirtschaft mittels steuerfinanzierter Aufwendungen zu stimulieren, durch die die Einkommen zu den Haushalten mit höherer Ausgabeneigung umverteilt werden.

In einem anderen Szenario, in dem die Hauptsteuer auf jedes Grundeigentum erhoben wird, wie es zum Beispiel bei den kommunalen Finanzen in Amerika üblich ist, tritt eine drastisch andere Wirkung ein. In diesem Fall muss jeder Investor, der ein Gebäude errichtet, davon ausgehen, dass er damit zumindest vorläufig einen Anteil an den Staatsschulden übernimmt, auch wenn bei weiteren Baumaßnahmen der Anteil dieser Belastungen möglicherweise immer geringer werden wird.

Dies sorgt nicht nur dafür, dass die Bautätigkeit erheblich behindert wird, sondern auch dafür, dass diese Erwartung der Lastenübernahme durch andere ziemlich plötzlich verschwinden kann, wenn der Schuldenüberhang zu groß wird und damit alles am Bau zum Erliegen kommen kann. Schulden werden damit zu einem starken Wachstumshemmnis. Während dieses Ergebnis dem ähneln kann, was in der Theorie als „Crowding Out“ bezeichnet wird, ist dieser Mechanismus allerdings keine Verdrängung, sondern eher ein Abschreckungsmittel.

Mit einer Umsatz- oder Mehrwertsteuer als tragender Säule hat ein aus der Absenkung der Steuersätze resultierendes staatliches Defizit heute keinen negativen Effekt mehr auf die Kapitalwerte. Stattdessen entwickelt es durch die Erhöhung der Gesamtsumme an Vermögenswerten eine stimulierende Wirkung, möglicherweise noch verstärkt durch vorweggenommene Ausgaben in der Erwartung höherer Steuern zu einem späteren Zeitpunkt zur Finanzierung des Schuldendienstes. Es wird daher keinen Ricardianischen Äquivalenzeffekt geben; im Gegenteil werden durch die Erwartung höherer zukünftiger Steuern die laufenden Ausgaben gefördert, zusätzlich stimuliert noch durch das erhöhte Angebot an Wertpapieren.

(Nicht nur) das US-Bundessteuersystem wird von der Einkommensteuer dominiert, bei der sich dieser Effekt irgendwo zwischen Vermögens- und Verbrauchssteuern aufteilen wird. In der Praxis werden nur wenige Individuen eine klare Vorstellung von der Höhe der Steuern haben, die möglicherweise einmal in der Zukunft als Folge der Existenz einer größeren Staatsverschuldung erhoben werden könnten. Daher kann mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es zu keinem belegbaren Auftreten eines Ricardianischen Äquivalenz-Phänomens kommen kann, auch wenn bei einigen Alarmisten das allgemeine Unbehagen in dieser Sache teilweise zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen mag.

(Grundlage dieser Reihe ist der Artikel 15 Fatal Fallacies of Financial Fundamentalism von William Vickrey)