Bekanntlich versucht der argentinische Präsident Javier Milei die Wirtschaft anzukurbeln, indem er Regelungen, Staatsausgaben und die Bürokratie abbaut und die Inflation senkt.

Amtseinführung von Argentiniens Präsident Javier Milei 2023
Um dies zu erreichen, verfolgt er das, was er als „Kettensägen“-Politik bezeichnet, die jedoch durch-dachter ist als das „kolossale Versagen“ der DOGE-Politik in den USA. Einige Leute behaupten sogar, dass diese Politik sehr erfolgreich sei.
Zum einen, weil die Armut in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 auf 38 % und in den ersten drei Mo-naten des Jahres 2025 auf 32 % (keine offizielle Schätzung) gesunken ist. Stimmt das und hat die Umwandlung eines öffentlichen Defizits von -4% des BIP in kürzester Zeit in einen (kleinen) Überschuss nur eine kurze Krise provoziert, anstatt einen anhaltenden Einbruch? Erholt sich Argentinien schnell und ist die Armut zurückgegangen?
Erstens erholt sich Argentinien nicht schnell. Ich werde die allgemeine wirtschaftliche Situation nicht analysieren. Doch schon ein kurzer Blick auf die Homepage des amtlichen Statistikamtes zeigt besten-falls eine glanzlose Entwicklung.
Nebenbei: Im Moment scheint dieses Institut die beste und zuverlässigste Quelle für Informationen über die argentinische Wirtschaft zu sein. Aber die Inflation geht zurück. Wenn Lohnerhöhungen an die (hohe) Inflation von vor einem halben Jahr gebunden sind, während die Inflation bei Waren und Dienst-leistungen relativ niedrig ist, kann dies zu einer höheren Kaufkraft führen.
Wenn die Inflation der Lebensmittelpreise schneller sinkt als die anderer Verbraucherpreise, kann dies vor allem armen Haushalten zugute kommen, da diese Haushalte relativ große Teile ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben.
Bleibt die Frage, ob und in welchem Umfang die Löhne gestiegen sind und ob die Inflation der Lebens-mittelpreise schneller gesunken ist als die allgemeine Inflation. Das argentinische Statistikamt (Instituto Nacional de Estadística y Censos de la República Argentina, INDEC) berechnet die monatlichen (mes anterior), jährlichen (mismo mes del ano anterior) und „seit Dezember“ Preisänderungen eines Waren-korbs (canasta básica alimentaria) für drei Arten von Haushalten (hogares).
Im Mai sank der Preis dieses Warenkorbs sogar! Gleichzeitig stiegen die Löhne im formellen Sektor sogar über das allgemeine Konsumpreisniveau, was bedeutete, dass die Kaufkraft der privaten Haus-halte, insbesondere der armen Haushalte gewachsen ist.
Doch es ist nicht sicher, ob die Menschen im wichtigen informellen Sektor (42 % aller Beschäftigten) einen vergleichbaren Geldsegen erlebt haben. Der Rückgang der Armut ist auch eine Erholung von den extremen Niveaus nach dem durch Milei ausgelösten Verfall des Wechselkurses. Angesichts des glanzlosen Zustands der argentinischen Wirtschaft ist die Armut nach wie vor ein Hauptproblem.
Die Armut ist also gesunken, aber immer noch himmelhoch. Der Rückgang war nicht auf „gesunde“ Beschäftigungs- und Produktionszuwächse zurückzuführen, sondern eher auf einen Preisrückgang.
Argentinien geht es im Moment nicht wirklich gut. Ich erwarte keine Wunder. Aber nicht wenige Leute „im Internet“ loben in diesem Moment die Geschehnisse und verweisen auf die wirtschaftspolitischen Resultate. Was mich dazu veranlasste, die Situation ein wenig genauer zu durchleuchten.
(Übersetzung eines Blogbeitrages des niederländischen Ökonomen Merijn Knibbe)