Die historischen Wurzeln des geldpolitischen Diskurses in Deutschland richtig und historisch korrekt zuordnen:
Arbeitslosigkeit während der Weimarer Republik
Viele Deutsche stehen der Geldpolitik der EZB der letzten Jahre sehr skeptisch gegenüber. Um diese Skepsis zu erklären, verweisen Experten häufig auf die kollektive Erinnerung an die Hyperinflation in den frühen 1920er Jahren in Deutschland.
Basierend auf neuen Umfragedaten zeigt dieses Strategiepapier, dass die Erinnerungen tatsächlich zutiefst fehlerhaft sind. Angesichts dieses historischen Missverständnisses unterschätzen viele Deutsche heute das Risiko einer Deflation und nehmen Massen-arbeitslosigkeit und Hyperinflation fälschlicherweise als zwei Seiten derselben Medaille wahr.
Viele Analysten verweisen auf die deutsche Geschichte, wenn sie die deutsche Skepsis gegenüber einer lockeren Geldpolitik erklären. Die verheerenden Auswirkungen der grassierenden Inflation auf die junge Weimarer Republik werden oft als tief im deutschen kollektiven Gedächtnis verankert bezeichnet.
Als herausragendes Exponat für diese Art des Denkens erklärte der damalige Wirtschafts-minister Rainer Brüderle während einer Bundestagsdebatte 2011: „Eine Lehre aus der Geschichte lautet: Wenn Geld wertlos wird, wird alles wertlos. Wir haben dies in der deutschen Geschichte erlebt: von der Hyperinflation über die Massenarmut bis hin zum Krieg und den fatalen Verirrungen in Deutschland.“
Angesichts dieser Lektüre ihrer eigenen Geschichte sollen die Deutschen weiterhin tief besorgt sein über jede Form von expansiver Geldpolitik, auch in einem potenziell deflationären Umfeld.
Entgegen dem obigen Zitat liefert die Ökonomiegeschichte der Weimarer Republik jedoch kaum ein starkes Argument für das strenge Mantra der Geldzurückhaltung. Tatsächlich übernahmen die Nazis erst mehr als 10 Jahre nach dem Ende der Hyperinflation (1923) die Macht (am 30.01.1933).
Die Massenarmut, auf die Rainer Brüderle anspielte, war nicht das Ergebnis einer Hyperinflation, sondern das Nebenprodukt von Massenarbeitslosigkeit, tiefer Rezession und fallenden Preisen während der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre. Hitler kam nach einer Zeit der Deflation an die Macht, nicht nach der Hyperinflation!