Deutschlands „Job-Wunder“: Nur ein Teilzeitwunder!


Diese Notwendigkeit zeigt die Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland seit den 1990er Jahren: Während die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Zeitraum insgesamt deutlich anstieg, ging die Zahl der gesamtwirtschaftlich geleisteten Arbeitsstunden zurück.

Oder anders gesagt: entgegen den Jubelgesängen vieler Medien wurde nicht das Volumen der Arbeit insgesamt erweitert, sondern die vorhandene Arbeit lediglich auf mehr Schultern verteilt. Nimmt man nun noch die bekannte Lohn- und Gehaltsentwicklung der vergangenen Jahrzehnte hinzu, so ist es nicht schwer, sich die Probleme dieses Prozesses vor Augen zu führen.

Zeitgleich mit dieser Entwicklung haben unsichere und schlecht bezahlte Tätigkeiten zugenommen, laut OECD stieg in Deutschland die Niedriglohnbeschäftigung im Vergleich aller Industriestaaten am stärksten an, gerade die üblichen Teilzeitbeschäftigen wie Minijobber, Leiharbeiter, Jugendliche und befristet Beschäftigte sind hiervon besonders betroffen.

Zudem hat sich die alte Verknüpfung von wirtschaftlicher Effizienz und gesellschaftlicher Solidarität – eigentlich ein Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft – aufgelöst. Niedrige Einkommen und Beschäftigungsunsicherheit haben dagegen erheblich zugenommen. Neu ist dabei auch, dass sich prekäre Arbeit, also Beschäftigung deutlich unter den üblichen sozialen Standards, nicht mehr auf atypische Beschäftigungsformen beschränkt, sondern tief ins Normalarbeitsverhältnis eingedrungen ist.

Über die sonstigen Auswirkungen der deutschen Arbeitsmarktentwicklung, insbesondere in der Form von sinkenden Löhnen im Verhältnis zu volkswirtschaftlichen Produktivität, also den sogenannten Lohnstückkosten, die als eine der Hauptursachen für die Eurokrise angesehen werden, ist in diesem Blog schon oft geschrieben worden.

Und dabei ist entgegen den gern gepflegten Mythen vom „Aufschwung“, „Boom“ und „Jobwunder“ gar keine neue Arbeit geschaffen worden, sondern nur die vorhandene neu umverteilt worden. Auch das wird erst sichtbar, wenn man die übliche Betrachtungsweise der Beschäftigtenzahlen hinterfragt und mit der Bestimmung des Arbeitsvolumens neue Wege beschreitet.

Weiter siehe Erkenntnisse durch die Berechnung von Arbeitsvolumen und Vollzeitäquivalenten


Schlussfolgerungen:
Insgesamt zeigt die DIW-Studie, dass Deutschland durchaus in der Lage war, seine Gesamtbeschäftigungsquote zu erweitern (so dass die Beschäftigung schneller gewachsen ist als die zugrunde liegende Bevölkerung), dagegen aber die Arbeitsqualität gesunken und die Einkommensungleichheit gestiegen ist. Darüber hinaus ist das Vorkommen von Armut und schwerwiegender Not stark angestiegen.

Es gab zudem einen konzertierten Angriff auf die deutsche „Mittelschicht“, da die Verteilung der Arbeitsplätze polarisiert wurde. Weniger Menschen genießen jetzt die Vorteile und die Sicherheit einer regulären Beschäftigung. Mehr Deutsche sind dafür nun anfälliger für prekäre Beschäftigung, Einkommens-unsicherheit und besonders Familien mit nur einem Einkommen sind einem viel höheren Armutsrisiko ausgesetzt.

Das sieht nicht wirklich wie eine richtige Erfolgsgeschichte aus.

Weiter siehe Mehr Deutsche als jemals zuvor sind ernsthaft in Gefahr arm zu werden