Es war einfach zu schön, um wahr zu sein: Ein weiterer Versuch, Sparmaßnahmen (aka Austerität) zu verteidigen ist seiner fehlerhaften Methodik zum Opfer gefallen.
Euro-Skulptur vor dem Eurotower im Frankfurter Bankenviertel
Viele Kritiker haben die orthodoxe Wirtschaftswissenschaft, den Internationalen Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die politischen Entscheidungsträger scharf angegriffen, weil sie auf Sparmaßnahmen als Heilmittel für ein verzögertes Wirtschaftswachstum Wert legten.
Eine Gruppe prominenter Ökonomen antworteten mit dem Versuch, die traditionelle Sichtweise zu rechtfertigen (z. B. Alesina und Ardagna, 2010). Sie behaupteten, dass Haushaltskonsolidierungen auf der Ausgabenseite kurzfristig positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben könnten – genau das Gegenteil von dem, was die keynesianische Ökonomie suggerieren würde.
Ihre Argumente für „expansive Austerität“ haben breite Aufmerksamkeit und Unmengen an positiver Berichterstattung in der Presse erregt. Einige ihrer Behauptungen wurden in Frage gestellt und mehrere komplizierte Debatten wurden geführt, aber die Einzelheiten ihres ökonometrischen Falls wurden nicht eingehend geprüft.
In diesem neuen INET-Arbeitspapier wird ihre Methode überprüft und ein fataler Trugschluss im Fall der expansiven Austerität offengelegt, der die für diese Ansicht erhobenen Behauptungen völlig auf den Kopf stellt.
Statistiker bezeichnen den Fehler als „umgekehrte Kausalität“. In diesem Fall bedeutet dies, dass die statistischen Techniken, mit denen Modelle für expansive Sparmaßnahmen getestet werden, zyklische Bewegungen der Staatsausgabenquote nicht angemessen berücksichtigen. Daraus folgt, dass sinkende Ausgaben-BIP-Verhältnisse eher einen Anstieg des BIP zur Folge haben als umgekehrt.
In der Praxis verfolgen Analysten, wie sich das Wirtschaftswachstum bei einer Verringerung des Haushaltsdefizits oder einer Erhöhung des Haushaltsüberschusses verhält. Das Problem dabei ist, dass der Haushaltssaldo selbst auf Veränderungen des BIP im Laufe des Zyklus reagiert. Beispielsweise führt das BIP-Wachstum tendenziell zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen.
Daher müssen die Schätzungen des Haushaltssaldos korrigiert werden, um diese „automatischen Effekte“ zu isolieren und die Richtung und Stärke des Kausalzusammenhangs zwischen BIP-Wachstum und fiskalischen Maßnahmen zu bestimmen. Das typische Maß dafür ist die sogenannte „konjunkturbereinigte Budgetschätzung“.
Wenn die zyklische Anpassungsmethode die zyklischen Effekte nicht tatsächlich korrigiert, wird ein Rückgang des bereinigten Defizits fälschlicherweise eher als Maßstab für die Austerität angesehen als mit einem vorherigen und unabhängigen Anstieg des BIPs in Verbindung gebracht.
In der o. g. Arbeit wird gezeigt, dass die von Alesina und Ardagna (2010 und 2013) angewandte Methode ein unvollständiges zyklisches Anpassungsproblem mit sich bringt. Insbesondere wird davon ausgegangen, dass die Staatsausgaben, abgesehen von Sozialtransfers, mit der Wachstumsrate des BIP variieren, so dass die Ausgabenquote konstant bleibt.
Diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu den Standardmethoden. Bei zyklischen Anpassungsmethoden wird in der Regel davon ausgegangen, dass die Ausgaben ohne Berücksichtigung der Sozialtransfers unabhängig vom Zyklus variieren. Mit dieser Annahme generieren die Autoren die Möglichkeit, dass ein Aufschwung automatisch die Ausgaben-BIP-Quote reduziert und sie in einem Abschwung genau entgegengesetzt reagiert.
Daher ihr paradoxes Ergebnis: Wenn wir eine Abnahme der Ausgabenquote mit tatsächlichen diskretionären Kürzungen der öffentlichen Ausgaben in Verbindung bringen, gehen solche Kürzungen notwendigerweise mit einer Zunahme des BIP einher, auch wenn die Kausalität eindeutig in die entgegengesetzte Richtung verläuft: vom BIP zur sinkenden Ausgabenquote. Die Interpretation dieses Zusammenhangs als Beleg für expansive Sparmaßnahmen – wie in so vieler Literatur und in der politischen Diskussion während der Eurokrise – führt zu schwerwiegenden Fehlern.
Abbildung 1 zeigt die beiden Fälle. Die schwarze Linie ist die Reaktion des BIP auf einen Rückgang der konjunkturbereinigten Ausgaben um ein Prozent, wie von Alesina und Ardagna (2010) berechnet, während die rote Linie die Reaktion des BIP auf einen identischen Rückgang der korrigierten Schätzung darstellt. Nur unter den besonderen Voraussetzungen von Alesina und Ardagna führt ihr Ansatz zu einer Unterstützung der expansiven Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite.
Wird die Ausgabenquote nach der gleichen Methode korrigiert und davon ausgegangen, dass diese Ausgaben zyklusunabhängig sind (wie dies normalerweise der Fall ist) fallen die Ergebnisse genau umgekehrt aus: Ausgabenkürzungen sind auf kurze Sicht mit einem Rückgang des BIP verbunden.
Abbildung 2: Auswirkungen einer ausgabenbasierten Haushaltskonsolidierung von 1 Prozent des BIP, Alesina und Ardagna, 2010 im Vergleich zur korrigierten Methode Anmerkung: t = 0 bezeichnet das Jahr einer ausgabenbasierten Haushaltskonsolidierung von 1 Prozent des BIP auf das BIP. Gepunktete Linien kennzeichnen ein Standardfehler-Konfidenzband.
Schlussfolgerungen
Die Kritik in diesem Aufsatz konzentriert sich auf die Annahmen von Alesina und Ardagna (2010 und 2013), welche zu den Behauptungen führen, dass Ausgabenkürzungen kurzfristig positiv für das Wachstum ausfallen. Nach der Anwendung allgemeinerer Voraussetzungen verschwindet dieses Ergebnis aber.
Ihre Arbeit und die gesamte Literatur, die ihrem Ansatz folgt sind auf der Ausgabenseite auf expansive Austeritätsmaßnahmen ausgerichtet. Diese Literatur hat die akademische Debatte stark beeinflusst. Tatsächlich wenden zahlreiche Studien dieselben Methoden an, um die Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf politische Ergebnisse, finanzielle Aggregate oder die Leistungsbilanz mit ähnlich innovativen Schlussfolgerungen zu testen. Die Ergebnisse in diesem Aufsatz legen nahe, dass auch diese Ergebnisse repliziert und Sensitivitätstests unterzogen werden müssen.
Oben genannter Aufsatz liefert zusätzliche Beweise dafür, dass Annahmen nicht nur in der Wirtschaftstheorie, sondern auch in der empirischen Arbeit eine Rolle spielen. Die Forscher sollten diese klar angeben und begründen, insbesondere wenn sie im Widerspruch zu den Standards stehen, jedoch für die Ergebnisse wichtig sind.
(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des Ökonomen Christian Breuer)