Besser tot als schlecht: Statuswettbewerb unter deutschen Jagdfliegern während des Zweiten Weltkriegs

Während des Zweiten Weltkrieges feierte das deutsche Militär öffentlich die Leistungen seiner fliegenden Asse, um ihre Kollegen zu ähnlicher Performance anzuregen.

Bundesarchiv Bild 183-B12018, Geburtstag Theo Osterkamp, Gäste
Die deutschen Fliegerasse Adolf Galland (Mitte links) und Werner Mölders (Mitte rechts) während einer Geburtstagsfeier für ihren Vorgesetzten
Generalmajor Theodor Osterkamp (rechts)

Dieser Beitrag verwendet neu gesammelte Daten, um zu zeigen, dass die fliegenden Asse sehr viel besser wurden ohne mehr Risiken einzugehen, wenn ihre ehemaligen Kameraden Aufmerksamkeit erfuhren, während durchschnittliche Piloten nur wenig leistungsfähiger, dafür aber viel häufiger getötet wurden. Insgesamt könnten daher Anreize eher nachteilig wirken, was zu Vorsicht bei denjenigen führen sollte, die heute über Boni und Anreize für Mitarbeiter entscheiden, welche finanzielle Risiken eingehen.

Eine der häufigsten Fragen in Management und Ökonomie behandelt das Thema Anreize für die Beschäftigten. Geld ist dabei natürlich wichtig, aber seit Adam Smith behaupten Ökonomen, dass die Steigerung des eigenen Ansehens in den Augen Anderer ebenfalls eine wichtige motivierende Kraft sein könnte.

Nicht-finanzielle Belohnungen sind sowohl in Unternehmen als auch im öffentlichen Sektor üblich – im Vereinigten Königreich zum Beispiel können verdiente Beamte, Industrie-Kapitäne, Politiker und Akademiker die Ritterschaft des Order of the British Empire erhalten.

Ebenso können Preise einen gewissen Status verliehen, wie etwa der Angestellte des Monats bis hin zum Nobelpreis. Sowohl theoretische als auch empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass nichtfinanzielle Belohnungen durchaus effektiv sein können, um damit Mitarbeiter zu motivieren (Kosfeld und Neckermann 2011, Ashraf, Bandiera und Lee 2014, Besley und Ghatak 2008, Moldovanu et al., 2007).

Gleichzeitig aber, wie schon Winston Churchill beobachtete, „glänzt eine Medaille, doch sie wirft auch einen Schatten“. Auszeichnungen sind nur dann wertvoll, wenn sie selten ausfallen. Für jeden Empfänger eines solchen Ehrenzeichens erhalten viele andere es eben nicht.

Eine wachsende Literatur argumentiert inzwischen, dass ein solcher Statuswettbewerb korrosive Effekte entwickeln kann. Die Nachbarn von Lotteriegewinnern tätigen oft extravagante statusfördernde Einkäufe (Kuhn et al., 2011) und gehen daher auch eher in Konkurs (Agarwal, Mikhed und Scholnick 2016). Card et al. (2012) und Ashraf et al. (2014) zeigen, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter und die Leistung leiden, wenn es direkte Rankings und explizite Vergleiche mit anderen in der gleichen Gruppe gibt.

In einer vorhergehenden Arbeit wurden der Statuswettbewerb und die Anreizwirkung nichtfinanzieller Vergütungen zusammen analysiert (Ager et al., 2017). Dabei wurde gefragt, wie sich der Statuswettbewerb durch die öffentliche Anerkennung auf Leistung und Risikobereitschaft auswirkt.

Dazu wurden neu gesammelte Daten über die beanspruchten Erfolge deutscher Jagdflieger während des Zweiten Weltkrieges untersucht und festgestellt, dass Piloten stark auf offizielle Anerkennungen reagierten, mit denen ehemalige Geschwaderkollegen überhäuft wurden. Die Wirkung unterschied sich durch die Qualität. Die besten Piloten erzielten mehr Abschüsse, wenn ein ehemaliger Kollege Bestätigung erfuhr, aber ohne dabei öfter ums Leben zu kommen. Durchschnittlichen und schlechten Piloten dagegen gelangen nur wenig mehr Erfolge und sie starben dabei viel häufiger.

Mit anderen Worten: Statuswettbewerb kann dich umbringen.

Auf der Jagd trotz Niederlage
Die Luftschlacht um England im Jahre 1940 war wohl eine der entscheidenden Luftschlachten des Zweiten Weltkriegs. Die Luftwaffe (die deutsche Luftstreitkraft) versuchte – letztlich erfolglos – die Luftherrschaft am Tage über den britischen Inseln zu erreichen. Eine wieder erstarkte Royal Air Force bereitete ihr genügend Verluste, um sie zur Aufgabe der Schlacht und die Deutschen zur Verschiebung ihrer geplanten Invasion auf unbestimmte Zeit zu zwingen (Bungay 2001).

Während des Höhepunkts diese Konflikts taten im Sommer 1940 zwei der besten Jagdfliegerasse Deutschlands etwas Unerwartetes: Sie gingen auf die Jagd. Werner Mölders, der ein Jagdgeschwader an der Kanalküste befehligte, wurde von Hermann Göring, dem Chef der deutschen Luftwaffe zu einer Konferenz über drei Tage auf seinem Landsitz Karinhall eingeladen. Mölders weigerte sich zunächst, da er mit Adolf Galland um die Ehre des Piloten mit den meisten Abschüssen konkurrierte. Mölders gab schließlich nur unter der Bedingung nach, dass auch Galland drei Tage nicht starten dürfe. Göring, der im Ersten Weltkrieg ebenfalls Jagdflieger gewesen war, stimmte zu und nahm Galland mit auf den Jagdausflug (Galland 1993).

So wurden also in der Mitte der wichtigsten Schlacht für die deutsche Luftwaffe zwei ihrer besten Piloten aus der Front abgezogen – und einer von ihnen noch nicht einmal aus operativen oder administrativen Gründen, sondern nur um das „Abschuss-Niveau“ gegenüber seinem direkten Konkurrenten gleich zu halten.

Der Statuswettbewerb bei deutschen Piloten fiel sehr intensiv aus. Er stand hinter dem ausgeklügelten System von Auszeichnungen und Medaillen, welches das gesamte Militär durchdrang. Ähnliche Preise und Auszeichnungen sind auch typisch in vielen anderen Bereichen des Lebens, von der Hochschule bis hin zu den führenden Bereichen von Wirtschaft und Politik.

Erbsenzählen für den Sieg
Die meisten Luftwaffen während des Zweiten Weltkriegs widmeten eine beträchtliche bürokratische Aufmerksamkeit auf die Einreichung, das Bezeugen, die Entscheidung über und das Aufsummieren der Siegesansprüche ihrer Piloten.

Im deutschen System mussten die Piloten die Netzkoordinaten, den Flugzeugtyp, die Art der Zerstörung (Piloten-Rettung, Aufprall, Explosion usw.) und die genaue Zeit für eine Anerkennung des Abschusses angeben. Der Anspruch musste von einem anderen Piloten bestätigt werden, um überhaupt eine Chance auf Akzeptanz zu haben. Forderungen mussten an eine Zentralstelle der Luftwaffe zur Entscheidung gesandt werden, wo viele zurückgewiesen wurden.

Dieses aufwändige System war notwendig, weil Auszeichnungen und Medaillen eng an die Abschusszahlen gebunden waren. Die Luftwaffe verlieh Medaillen, die auf informellen Quoten basierten. Zum Beispiel musste Anfang 1942 ein Pilot 100 Luftsiege nachweisen können, um überhaupt eine Chance zu haben, das Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern zu erhalten.

Zur Auswertung gelangten Daten über die Ansprüche auf Luftsiege von mehr als 5.000 Piloten für den gesamten Konflikt von 1939-45. Diese Piloten behaupteten, sie hätten 54.800 feindliche Flugzeuge abgeschossen. Siege waren dabei extrem ungleich verteilt. Erich Hartmann, der erfolgreichste deutsche Jagdflieger, beanspruchte mehr als 350 Siege für sich, und die Top-100-Piloten erzielten fast so viele Siege wie die untersten 4.900. Die maximale monatliche Anzahl an Abschüssen betrug 68, aufgezeichnet 1943 an der Ostfront.

Diese Erfolge wurden zu einem hohen Preis erzielt (siehe Abbildung 1). In einem durchschnittlichen Monat starben 3,3% der Piloten. Nach zwei Jahren des Dienstes war etwa die Hälfte der Piloten mit niedrigen Abschusszahlen getötet worden. Unter den besseren Piloten hatte nur ein Viertel überlebt. Gegen Ende des Krieges wurden die Verlustraten extrem hoch, durchschnittlich 25% oder mehr ab dem Frühjahr 1944 (Murray 1996).

Erfolgsansprüche und Verlustrate der deutschen Jagdflieger je Monat
Abbildung 1: Erfolgsansprüche und Verlustrate der deutschen Jagdflieger je Monat

Anerkennung von Kameraden
Um die Auswirkungen der offiziellen Auszeichnungen zu identifizieren, wurden die Konkurrenten ausgemacht, für die sich die Piloten interessierten, und welche Art von Anerkennung verwendet wurden.

Zu den Auszeichnungen konzentrierte sich die Forschung auf Erwähnungen im Wehrmachtbericht, dem Tagesbulletin der deutschen Wehrmacht. Er wurde auf deutschem Territorium weit verbreitet und in den Kommandostationen ausgelegt, in Zeitungen nachgedruckt und für Radiosendungen verwendet. In der Regel wurden alle militärischen Ereignisse des Tages in ihm zusammengefasst. Manchmal, im Falle von hervorragenden Leistungen, hob es auch die Leistung eines einzelnen Soldaten hervor.

Beispiele beinhalteten U-Boot-Kapitäne, die viele Schiffe versenkten, Panzerkommandanten, die zahlreiche feindliche Tanks abschossen oder Kampfflieger, die viele feindliche Flugzeuge vom Himmel geholt hatten. So betonte der Wehrmachtbericht etwa auch die Erfolge von Hans-Joachim Marseille, einem jungen Piloten, der zehn britische Flugzeuge an einem Tag in Nordafrika abgeschossen hatte. Der Fokus lag auf solchen und ähnlichen Erwähnungen, da sie nicht so vorhersehbar waren wie die Vergabe von Medaillen (die teilweise aufgrund von Quoten ausgeteilt wurden). Sie stellten zudem auch eine flüchtige Art von Anerkennung dar, ohne direkt durch Orden belohnt zu werden.

Es lässt sich nicht viel darüber aussagen, was die Leistungen der Piloten antrieb, die zur gleichen Zeit in der gleichen Einheit dienten. Die Kameraden von Marseille hielten sich ganz gut in der Zeit, als er im Wehrmachtsbericht erwähnt wurde, doch dies spiegelte sowohl ihre Motivation als auch die Kampfbedingungen in der nordafrikanischen Wüste wider, die mit dem Erfolg von Marseille korrelierten.

Daher wurden für diese Arbeit nur ehemalige Kollegen näher betrachtet. Wenn zwei Piloten zusammen in der Vergangenheit gedienten hatten und einer von ihnen später ausgezeichnet wurde, war es das Ziel dieser Untersuchung, festzustellen, ob der ehemalige Kamerad dieses „Starperformers“ plötzlich auch besser geworden war. In vielen Fällen dienten die Piloten nicht nur in verschiedenen Einheiten, sondern auch Hunderte oder sogar Tausende von Meilen voneinander enfernt.

Ego trips bis ins Grab
Abbildung 2 fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Gute Piloten – diejenigen, deren durchschnittliche monatliche Siegausbeute sie in die Top 20% der Verteilung brachten – verbesserten im Durchschnitt ihre Abschusszahlen um 50% von weniger als zwei auf mehr als drei im Monat, nachdem die Erfolge ihrer früheren Kollegen gewürdigt worden waren.

Piloten in den unteren 80% erzielten insgesamt weniger Siege, doch auch sie verbesserten sich, allerdings in viel geringerem Ausmaß. Auffällig ist dabei, dass die Ergebnisse für die „Exitraten“ unterschiedlich sind („Exit“ bedeutete gewöhnlich den Tod). Gute Piloten starben im Durchschnitt zwar häufiger, allerdings auch nicht öfter nach Auszeichnungen ihrer früheren Kameraden.

Das Gegenteil galt für den Durchschnitt und die schlechten Piloten, deren „Exitraten“ um fast die Hälfte anstiegen. Mit anderen Worten, die Asse versuchten mehr, wenn ein ehemaliger Kollege einen öffentlichen „Patch“ auf den Rücken geheftet bekam, aber ohne dabei viel mehr Risiken einzugehen. Durchschnittliche oder schlechte Piloten taten das auch, waren dabei aber nur ein bisschen erfolgreicher und tendierten dann allerdings auch dazu, sich öfter umbringen zu lassen.



Abbildung 2: Siegesansprüche und Exit- (Todes-)raten von Piloten in Zeiten, in denen frühere Kameraden ausgezeichnet oder nicht ausgezeichnet wurden, nach Qualitätsgruppen

Anmerkung: Aces = die oberen 20% nach durchschnittlichen monatlichen Luftsiegen; Non-Aces = die unteren 80%.

Diese Ergebnisse blieben gleich, auch wenn die Variablen für den Flugzeugtyp, den Frontabschnitt, an dem der Piloten diente, Erfahrung und die Jahreszeit ( die Flugzeiten waren im Sommer viel länger als im Winter) geändert wurden. Trotzdem gab es noch zwei mögliche Probleme mit diesen Interpretationen:

Es wäre möglich gewesen, dass die Piloten nicht unbedingt auf ihren relativen Status reagierten, der vermindert wurde, wenn ein Kamerad eine Anerkennung erhielt. Stattdessen könnten ihre Verbesserungen schlicht ein Ergebnis ihrer ohnehin schon herausragenden Leistungsfähigkeit gewesen sein. Um diese Möglichkeit auszuschließen, wurde die Stichprobe der „behandelten“ Piloten aufgeteilt in diejenigen, die bereits ähnlich gut waren als der ausgezeichnete Pilot und die, die bis dahin schlechter waren. Die Ergebnisse sind für beide Gruppen identisch.

Auch könnte der gemeinsame Dienst in der Vergangenheit beiden Piloten etwas nützliches gelehrt haben. Der Wert dieses „Etwas“ im Kampf könnte im Laufe der Zeit variieren, was zu einer falschen Korrelation bei den Erfolgszahlen führen könnte.

Ein Weg, dies entsprechend zu berücksichtigen, bestand darin, bei der Betrachtung der Erfolge eines Piloten über alle Perioden hinweg auch die Anzahl der Luftsiege seines früheren Kameraden zu kontrollieren, um festzustellen, ob sich die Korrelation in Monaten, in denen der ehemalige Kollege ausgezeichnet wurde, verstärkt hatte. Dies war der Fall, was darauf hindeutet, dass die ausgesuchten Piloten erst auf die Erfolge ihrer früheren Kameraden reagierten, und dies keineswegs die Auswirkung bereits bestehender Verbindungen waren.

Killer-Einblicke für das Risikomanagement
Deutsche Piloten während des Zweiten Weltkrieges erreichten die meisten jemals verzeichneten Luftsiege. Die besten 100 Jagdflieger aller Zeiten sind allesamt deutsch. Die Luftwaffe betrieb ein ausgeklügeltes System von Auszeichnungen und Anerkennungen. Es wurden eindeutige Übertragungseffekte aufgrund dieser Belobigungen ausgemacht, und zwar in dem Sinne, dass ehemalige Kollegen von ausgezeichneten Piloten ihre Leistung erhöhten.

Doch einige nahmen dabei auch mehr Risiken auf sich, die direkt zu höheren Verlustraten führten. Der Nettoeffekt kann dabei durchaus zerstörerisch gewirkt haben. Anerkennung – in diesem Fall durch Erwähnung im täglichen Bulletin der Wehrmacht – reduzierte die durchschnittliche Zahl der abgeschossenen feindlichen Flugzeuge im Austausch für den Verlust eines deutschen Piloten. Dies deutet darauf hin, dass diese Anreize insgesamt geschadet haben könnten.

Sollten wir uns überhaupt nach mehr als 70 Jahren für die Motivation eines jungen, testosteronbeladenen Mannes interessieren, der für Nazi-Deutschland kämpfte? Man könnte damit argumentieren, dass viele Geschäftsbedingungen heutzutage durchaus Maßnahmen beinhalten, bei denen man sich nicht nur um Leistungen, sondern auch um Risiken kümmern sollte.

Wertpapier-Händler von Banken und Hedge-Fonds oder auch Vertriebsmitarbeiter in großen Firmen könnten beispielsweise sehr ähnlichen Risiko-Rendite-Verhältnissen unterliegen (allerdings mit deutlich geringeren Einsätzen). Während nur sehr wenige der heutigen Risiko-Manager tatsächlich einen gewaltsamen Tod riskieren, könnten ihre Handlungen andererseits genügend Chaos verursachen, sodass sich die Gesellschaft schon um die Anreize kümmern sollte, die wir ihnen anbieten.

(eigene Übersetzung eines Beitrages der Ökonomen Philipp Ager, Leonardo Bursztyn und Joachim Voth)