Auftakt-Schlappe in Wolfsburg: Dämpfer zur rechten Zeit?

Manchmal weiß man nach einem Bundesligaspiel gar nicht so richtig, wo man anfangen soll zu schreiben vor lauter kontroversen Themen.

Wolfsburg Jun 2012 002 (Volkswagen Arena)
Die Volkswagen Arena in der VW-Stadt

Das 1:2 der Knappen in Wolfsburg zum Beginn der neuen Saison war mit Sicherheit genau eine solche Begegnung. Keine besonders gute Leistung der Schalker, und trotzdem hätte am Ende sogar noch ein Punktedreier dabei herausspringen können.

Doch besonders grottenschlecht fand ich die Leistung des Video-Schiedsrichters in seinem Kölner „Kellerverlies“, der in der zweiten Hälfte offenbar von allen guten Geistern ver-lassen wurde und durch sein Eingreifen den Charakter des ganzen Spiels fatal veränderte.

Nein, ich will jetzt hier gar nicht rumjammern, die Blauen hätten zu unrecht verloren und der Schiri bzw. seine „Helfer“ vor den Bildschirmen seien hauptsächlich Schuld an der Niederlage. Das haben die Jungs von Cheftrainer Domenico Tedesco schon in erster Linie selbst zu verantworten. Vieles, was diese Mannschaft in der letzten Spielzeit so sehr ausgezeichnet hatte, wie etwa ein besonders solides Defensivverhalten oder mittels schnellen Umschaltens Konter-chancen zu kreieren, ließen die Gelsenkirchener am Samstag vor allem vor dem Pausentee fast völlig vermissen.

Vor allem Neuzugang Salif Sanè zeigte ungewöhnliche Schwächen bei Abwehrarbeit und Spielaufbau, die so in der bisherigen Vorbereitung nicht zu sehen waren. Seine Nebenleute Nastasic und Naldo erwiesen sich auf Dauer als wenig resistent gegen die Ansteckungs-gefahr solcher Fehler und so geriet das Bollwerk vor Ralf Fährmann in den ersten 45 Minuten außergewöhnlich oft ins Schwimmen.

Und auch der Ex-Mainzer Suat Serdar, neben Amine Harit eigentlich als „Achter“ für die kreativen Momente Richtung Wolfsburger Tor zuständig, vermochte außer ein paar technischen Kabinettstückchen keine großartigen Akzente zu setzen. Ihm merkte man schon stark an, dass er einen Großteil der Trainingsarbeit vor der Saison wegen einer Verletzung verpasst hatte. Unverständlich war für mich dabei auch die Tatsache, dass Tedesco ihn erst knapp zehn Minuten vor dem Ende durch Nabil Bentaleb ersetzte, dieser Wechsel erfolgte viel zu spät.

Neben den beiden erwähnten Akteuren erreichte allerdings kaum jemand bis zur Pause Normalform, sodass man fast noch froh darüber sein musste, dass die Wölfe nicht noch höher als mit 1:0 führten. Erst mit dem Austausch des blassen Guido Burgstaller durch Breel Embolo ging so etwas wie ein Ruck durch die Mannschaft. Zwar immer noch nicht viel überzeugender als zuvor bemühte man sich nun wenigstens um Schadensbegrenzung und bewies zumindest etwas Einsatzwillen und Moral.

Umso ärgerlicher, dass nach dem Ausgleich trotzdem keinerlei Sicherheit herrschte, um diese Begegnung auch in Unterzahl vernünftig zu Ende zu bringen. Naiverweise wollte man nun offenbar sogar noch gewinnen, unterließ dabei allerdings fast jede Absicherung nach hinten. So war es nur folgerichtig, dass der eingewechselte Daniel Ginczek den Abpraller in der Nachspielzeit vor die Füße bekam und eben nicht der indisponiert wirkende Abdul Rahman Baba.

Apropos Unterzahl: da kommen wir nun zu den wirklich unappetitlichen Aspekten dieses Spiels. Meiner Ansicht nach war es völlig falsch, dass Video-„Assistent“ Wolfgang Stark im Stile eines Oberschiedsrichters sowohl im Fall Nastasic als auch bei der zurück genommenen Roten Karte für den Wolfsburger Wout Weghorst eingriff. Beide Entscheidungen von Schiri Patrick Ittrich (Gelb für den Serben und Rot für den Niederländer) konnte man ohne weiteres als akzeptabel durchgehen lassen, was sowohl Markus Merk (bestimmt nicht als S04-Fan bekannt) bei Sky als auch Jochen Drees (pikanterweise demnächst Leiter des Projekts Videobeweis beim DFB) im Nachhinein bestätigten.

So aber veränderte der Bildschirm-Richter den Charakter des gesamten Spiels, es wurde spürbar hektischer und verfahrener, und der bis dahin eigentlich souverän leitende Unparteiische verlor sichtbar nervös jegliche einheitliche Linie. Nicht davon zu reden, dass die Schalker ausgerechnet zu dieser Zeit endlich einmal den Eindruck erwecken konnten, ihre seit dem Anpfiff anhaltende Schwäche ablegen zu wollen.

Und natürlich führt sich damit der DFB endgültig selbst ad absurdum, der ja vor der Saison erklärt hatte, der Videobeweis würde nur bei klaren Fehlentscheidungen eingesetzt. Dies war aber keineswegs gegeben, da Schiedsrichter Ittrich in beiden Fällen völlig korrekt im Rahmen seines Ermessensspielraums bereits ein (zu vertretendes) Urteil gefällt hatte. Die Eingriffe von außen erwiesen sich als völlig übertrieben und unnötig, und es bedarf keiner großen hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass mit diesen fragwürdigen Maßnahmen das gesamte Projekt irgendwann an die Wand gefahren wird.

Die einzige Rettung für den Videobeweis wäre meines Erachtens nur die klare Wiederherstellung der Autorität des Schiedsrichters auf dem Platz. Nur er allein sollte darüber befinden dürfen, ob diese Technik überhaupt zum Einsatz kommt. Der Keller in Köln müsste sich komplett zurückhalten und wirklich nur die Rolle eines „Helfers“ einnehmen, der bei Bedarf nach seiner Meinung gefragt wird. Mehr nicht!

Die Weltmeisterschaft in Russland hat ja durchaus gezeigt, wie es eigentlich aussehen müsste. Klare, vertretbare und transparente Entscheidungen in einem engen Rahmen, unaufgeregt kommuniziert. Doch kaum fängt die Bundesliga wieder an, verfällt man wieder in den Aktionismus der letzten Saison, den man eigentlich hatte überwinden wollen. Typisch deutsche Wichtigtuerei? Wer weiß, die nächsten Wochen werden zeigen, ob dann hauptsächlich wieder über den Fußball oder über vermeidbare Eingriffe von außen diskutiert wird.

Und Schalke? Nein, dass war noch lange nicht das Gelbe vom Ei. Schon ein wenig enttäuschend, da ich angenommen hatte, Tedesco und sein Team seien mit der Integration der Neuen in das System Blau und Weiß bereits etwas weiter. Jetzt kommt noch Nationalspieler Sebastian Rudy vom Meister Bayern München hinzu, sicherlich noch einmal eine Verstärkung. Bleibt abzuwarten, ob Bentaleb diese neue Konkurrenz annimmt oder bis Ende der Woche den Verein wechselt, wie es in der Presse bereits vermutet wurde.

Ansonsten hege ich die Hoffnung, dass dieser Dämpfer genau zur richtigen Zeit kam, um so manche arg euphorischen Träume über den „Bayern-Jäger Nr. 1“ oder gar von der Deutschen Meisterschaft zu zerstäuben. Es bleibt dagegen dabei, dass sich die Schalker jeden noch so kleinen Erfolg hart erarbeiten und erkämpfen müssen. Je eher diese Prämisse auch in die Köpfe der Neuzugänge Eingang findet, desto besser. Schließlich wartet ja auch noch die Champions League am Horizont. Kurzfristig wäre daher ein Sieg am Sonntag gegen die Hertha aus Berlin absolute Pflicht, um einen möglichen Fehlstart und jede damit verbundene Aufregung zu vermeiden. Besser wär’s…