Welche Strukturreformen?

Ein paar Worte von Francesco Saraceno zum neuesten World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds (eigene Übersetzung):

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Saraceno schrieb in seinem Blogbeitrag, dass er bereit wäre zu wetten, dass der letzte IWF World Economic Outlook, welcher am 14. April in Washington vorgestellt wurde, ein gewisses Aufsehen um den Inhalt einer einzelnen Text-Box erzeugen werde. Es handele sich dabei um Kasten 3.5, auf Seite 36 im Kapitel 3, welches seitdem auf der Website verfügbar ist.

In diesem Feld präsentiert der IWF-Stab (keine) Beweise für die Beziehung zwischen Strukturreformen und der totalen Faktorproduktivität als Bindeglied für langfristiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. (Interessanterweise neigen die Leute beim IWF dazu, ihre umstrittensten Erkenntnisse in Boxen anzugeben, so als ob sie sie darin festhalten wollten).

Was sicherlich noch zu einigen Kontroversen führen wird ist die Feststellung, dass, während das langfristige Wachstum negativ durch die Regulierung des Produktmarktes betroffen ist, eine übermäßige Regulierung des Arbeitsmarktes dagegen die langfristige Performance eher nicht behindert.

Es ist nicht das erste Mal, dass der IWF uns mit interessanten Analysen überrascht, die sich gegen ihre eigenen früheren konventionellen Weisheiten richten. Diese Erkenntnisse sind für unseren alten Kontinent allerdings durchaus relevant.

Die den Krisenländern von der Eurozone auferlegten Sparmaßnahmen haben die Form von Ausgaben- senkungen und Deregulierungen des Arbeitsmarktes angenommen, deren magische Effekte auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit widerstrebenden und erschöpften Einwohnern als Weg in eine glänzende Zukunft verkauft wurden.

Vor zwei Jahren hatte Saraceno bereits festgestellt, dass die kurzfristigen Schmerzen sich langsam zu langfristigem Schmerz entwickelt hätten, und dass die Verbesserungen durch die Strukturreformen nirgends zu sehen sind. Der IWF teilt uns nun jetzt mit, dass dies genau so zu erwarten war.

Der Mann, der darüber glücklich sein sollte, ist Alexis Tsipras, der seit Januar dem Druck seiner „Freunde“ (und der Troika, in der auch der IWF-Stab vertreten ist!) widersteht, noch weitere Arbeitsmarktregelungen einzuschränken. Stattdessen hat er vor kurzem eine Liste von Reformen präsentiert, mit der sich die neue griechische Regierung dazu verpflichten will, Vetternwirtschaft, Steuerhinterziehung und Rigiditäten am Produktmarkt zu bekämpfen und abzubauen.

Übrigens sind das genau die Maßnahmen, die auch der IWF aufzeigt, um wirksam Wachstum zu fördern. Natürlich werden diejenigen, die eine entgegengesetzte Politik betreiben, um noch weitere Arbeitsmarkt-reformen zu implementieren, an diesen Erkenntnissen des IWF wohl nicht sehr viel Freude haben.

Dies alles geschieht in Washington. Das Problem dabei ist aber, dass Griechenland und Europa insgesamt momentan Lichtjahre entfernt von der Forschungsabteilung des IWF zu sein scheinen. Wir haben bereits früher gesehen, zum Beispiel bei dem Mea Culpa zu den Multiplikatoren, dass die IWF-Mitarbeiter in den Programmländern nicht unbedingt das lesen, was zu Hause geschrieben wird.

Mal sehen, ob die Diskussion über Griechenlands Reformen für eine Neuausrichtung der Forschungsarbeit des Fonds sowie eine Veränderung der Vorschriften über ihre Implementierung / Anregung / Aufzwingung sorgen kann.