„Vier Schalker in Paris“: nur noch zwei auf Sparflamme ins Achtelfinale

Da waren’s nur noch zwei: mit Roman Neustädter und Alessandro Schöpf mussten bereits die ersten beiden Schalker aus Frankreich wieder abreisen. Ohne Neustädter verlor Russland seine letzte Vorrundenbegegnung gegen Gruppensieger Wales sang- und klanglos mit 0:3.

Russia v Slovakia (2016-06-15) 6
Das Stade Pierre-Mauroy in Lille vor dem Spiel Russland-Slowakei

Damit relativierte sich auch die heftige Medienschelte aus Russland im nachhinein etwas, denn ohne Neustädter wirkte die saft- und kraftlose Sbornaja keineswegs besser als mit ihm. Für den Deutsch-Russen persönlich könnte sich daher sein Nichteinsatz in diesem letzten Spiel als Vorteil erweisen, denn Gerüchte über einen bevorstehenden Vereinswechsel erhielten trotz vorheriger eher schwacher Auftritte neue Nahrung.

Für Schalke kann das letztlich nur gut sein, da der Wille zu einer Vertragsverlängerung mit Neustädter offenbar nur noch gering ist. So zumindest könnte man Aussagen des neuen Trainers Markus Weinzierl am Dienstag bei seiner offiziellen Vorstellung deuten. Neustädter selbst gab inzwischen via Facebook seinen Abbruch der Verhandlungen bekannt.

Spieler seiner Klasse und momentaner Einstellung, die gut sind und mitlaufen, wenn das Team gut ist und schlecht sind und mit untergehen, wenn auch der Rest der Mannschaft keinen guten Tag hat, gibt es mehr als genügend. Doch die meisten davon dürften wesentlich günstiger sein als Neustädter, der ja vor vier Jahren unter ganz anderen Voraussetzungen aus Mönchengladbach geholt wurde.

Noch immer ruft die Erinnerung an seines erstes halbes Jahr auf Schalke, als er dank guter Leistungen durchaus verdient von Jogi Löw berufen wurde, und die Entwicklung danach ungläubiges Kopfschütteln bei mir aus. Mir ist nach wie vor nicht erklärlich, wie jemand einen solchen Abstieg vom Nationalspieler zum äußerst umstrittenen „Notstopfen“ beschreiten konnte. Nun denn, sei es wie es nun mal ist, ich wünsche Dir trotz allem alles Gute Roman, und einen neuen Verein, bei dem es für Dich besser läuft als zuletzt hier in Gelsenkirchen.

Weiter für die Blau-Weißen auflaufen wird jedoch noch der Österreicher Alessandro Schöpf, dessen Frankreich-Ausflug mit den rot-weissen Alpenkickern allerdings kurzfristig endete. Zur Halbzeit eingewechselt, konnte Schöpf die abschließende Niederlage Austrias gegen Island trotz seines schönen Tores (übrigens das einzige für Österreich während dieser EM!) nicht mehr verhindern. Bemerkenswerter Weise lieferte Alessandro dem Spiel der Ösis einige gute Akzente aus der Mitte heraus, während er in Gelsenkirchen fast ausschließlich auf den Außenbahnen eingesetzt wurde.

Weiterhin noch im Wettbewerb sind dagegen Benni Höwedes und Leroy Sanè, die mit der deutschen Nationalelf durch ein 1:0 über Nordirland als Gruppenerster das Achtelfinale erreichten. Allerdings trugen sie dazu nichts (Sanè) oder nur wenig (Höwedes ab der 77. Minute für den angeschlagenen Jerome Boateng) bei. Immerhin ließ Benni den bayrischen Abwehrgiganten Boateng in der verbleibenden Zeit nicht unbedingt vermissen, was aber auch an den sehr übersichtlichen offensiven Fähigkeiten der Nordiren gelegen haben könnte.

Außerdem sollte man Höwedes außergewöhnliche Reaktion auf seine Nichtberücksichtigung in dieser Begegnung lobend erwähnen. Der Schalker Kapitän erwies sich als echter Sportsmann, stellte sein Ego zurück und würdigte sowohl Jogi Löw für diese Entscheidung und seinen Ersatz Joshua Kimmich für seine gute Leistung.

Überhaupt muss man den Erfolg über die eher zweit- und drittklassigen Kicker aus dem Nordteil der irischen Insel aber doch etwas relativieren. Bei 28:2 Torschüssen und einem Ballbesitz von 79 % wird schon klar, dass dieser Gegner nicht wirklich das Format eines echten Prüfsteins hatte. Allein Thomas Müller hätte in der ersten Halbzeit bereits Torschützenkönig dieser Europameisterschaft sein müssen, denn im Auslassen von Torchancen war der Bayer einsame Klasse.

Trotzdem, 7:1 Punkte und 3:0 Tore sprechen andererseits eine klare Sprache. Noch nie hat eine deutsche Mannschaft bei einem Turnier eine Vorrunde ohne Gegentreffer abgeschlossen. Neben der souveränen Abwehr um Boateng und Hummels konnten diesmal auch Newcomer Kimmich und Mesut Özil überzeugen, Mario Gomez netzte bei seinem ersten Einsatz gleich ein und insgesamt war schon eine Weiterentwicklung zu erkennen.

Deutschland ist jetzt auch bei diesem Wettkampf angekommen und bereit für das Achtelfinale. Interessanterweise heißt der Gegner nun wieder Slowakei, Ende Mai noch Kontrahent in einem denkwürdigen Freundschaftsspiel, welches unter etwas widrigen Bedingungen mit 1:3 verloren ging. Diesmal dürften aber die Voraussetzungen doch erheblich andere sein, keine Partie in Freundschaft, keine deutsche B-Elf und (hoffentlich) auch keine sinnflutartigen Regenfälle am Sonntag im Stade Pierre-Mauroy in Lille. Allerdings ließen die Slowaken um ihren beim SSC Neapel angestellten Topstar Marek Hamsik zuletzt mit einem 0:0 gegen England aufhorchen. Ein Selbstläufer wird diese Partie daher wohl nicht werden.

Was war sonst noch los rund um die aktuellen und ehemaligen Schalker in Frankreich? Besonders auffallend spielte Kroatien mit Ivan Rakitic, mit dem 2:1-Sieg über Spanien dürfte die Mannschaft der ehemaligen Bundesligakicker Perisic, Mandzukic und Badelj endgültig im Kreise der absoluten Topfavoriten angekommen sein.

Unfassbar, welche Entwicklung der kroatische Schweizer Rakitic seit seinem Weggang aus Gelsenkirchen gemacht hat. Unfassbar auch, dass Felix Magath ihn damals einfach so vom Hof gejagt hatte. Eine der wohl gravierendsten Fehlentscheidungen des einstigen Trainers/Managers in Personalunion, über dessen sonstige Bedeutung für die aktuellen Probleme der Schalker Mannschaft ich eigentlich überhaupt nicht mehr weiter nachdenken will, ohne nicht furchtbar wütend zu werden.

Zurück zur Gegenwart, und weiter zu einem anderen Spieler mit Schweizer Staatsbürgerschaft: Breel Embolo, in Kamerun geborener Jungstar der Eidgenossen, heuerte für die neue Saison in Gelsenkirchen an. Damit erteilte der aktuelle Schweizer Nationalspieler hochkarätigen Konkurrenten wie Manchester United und Red Bull Leipzig eine Absage. Mit über 20 Mill. Euro Ablösung beileibe kein Schnäppchen, jedoch als 19-jähriger bereits Stammspieler beim FC Basel, für den er in der letzten Spielzeit wettbewerbsübergreifend immerhin 40 Pflichtspiele (13 Tore, 9 Vorlagen) absolvierte.

Außerdem stand er bei der EM in bisher allen drei Begegnungen der Eidgenossen auf dem Platz, wenn auch nur gegen Frankreich von Anfang an. Allerdings muss ich zugeben, dass ich bis dato noch nicht besonders auf ihn geachtet habe. Mal sehen, ob er im Achtelfinale gegen Polen etwas schaulaufen kann.