Im Rahmen seiner Analyse der veränderten Haushaltsstrukturen in den Vereinigten Staaten stellte Steven Ruggles schon vor Jahren u. a. mit diesem Chart eine Zusammen-stellung von Daten über die relativen Einkommen von jungen Männern vor.
Ruggles fand heraus, dass bei einem Vergleich der Löhne der 25 bis 29-Jährigen mit den Löhnen ihrer Väter vor 25 Jahren (als die Väter im gleichen Alter waren) die relativen Einkommen im Jahr 1958 ihren Höhepunkt erreichten, als junge Männer etwa viermal so viel verdienten wie ihre Väter ein Vierteljahrhundert zuvor.
In den 1960er und 1970er Jahren brach das relative Einkommen junger Männer massiv ein, und seit Mitte der 1980er Jahre verdienen junge Männer erheblich weniger als ihre Väter im gleichen Alter.
In der Zusammenfassung seiner Studie kam Ruggles aufgrund dieser Ergebnisse zu folgender Erkenntnis:
In den letzten fünfzig Jahren haben anhaltende strukturelle Veränderungen den Status der Doppelverdiener-Familie drastisch untergraben.
Der massive Rückgang der relativen Einkommen unter jungen Männern zusammen mit der langen Stagnation der Gehälter bei jungen Frauen ist die naheliegendste Erklärung für den beispiellosen Rückgang der Ehe seit Mitte der 1970er Jahre.
Die sinkenden Perspektiven der Jugend haben nicht nur zu weniger und späteren Eheschließungen, sondern auch zu höherer ehelicher Instabilität sowie einer größeren Anzahl von Alleinerziehenden und anderen Arten des Zusammenlebens erheblich beigetragen.
Steven Ruggles: Marriage, Family Systems, and Economic Opportunity in the United States Since 1850, S. 40
Leider konzentrierte sich Ruggles vor allem auf den Rückgang der Ehe und nicht auf Veränderungen in der Struktur der Haushalte, so als ob der Rückgang der Heiratsziffern an sich nur eine ausschließlich negative Entwicklung darstellte.
Eine alternative Ansicht wäre die Annahme, dass als Folge der rückläufigen Perspektiven der jungen Männer (zusammen mit der Stagnation der Einkommen von jungen Frauen), Männer und Frauen neue Haushaltsstrukturen erfanden, neue Wege des Allein- und Zusammenlebens suchten, die nicht die Voraussetzungen der traditionellen (Nachkriegs-) Ehen erfüllten.
Ebenso wäre es natürlich interessant, den Einfluss dieser Entwicklung auf andere gesellschaftliche und soziale Bereiche zu untersuchen: als da wären die private Verschuldung, das Konsumverhalten junger Amerikaner, der Umgang der verschiedenen Bevölkerungsgruppen miteinander, aber auch die fast im Gleichschritt gesunkene Geburtenrate in den USA:
So sah beispielsweise auch der Soziologe Colin Crouch die grundlegenden Veränderungen in den USA während der Reagan-Administration von 1981-89 in der Abwicklung wohl-fahrtsstaatlicher Institutionen, der Marginalisierung der Gewerkschaften und einer Spaltung zwischen Arm und Reich auf einem Niveau vergleichbar mit Ländern der Dritten Welt.
Die Regierungszeit von Ronald Reagan fiel daher nicht von ungefähr genau in die Schluss-phase des starken Abschwungs der Gehälter junger Amerikaner, doch auch schon unter den Administrationen von Gerald Ford und Jimmy Carter ging es mit den Löhnen ersichtlich stark bergab.
Und letztendlich könnte diese Form der sozialen Ungerechtigkeit einer der Hauptgründe für den Aufstieg des Phänomens Donald Trump gewesen sein, denn Analysen zufolge waren es gerade diese vom Niedergang betroffenen, meist weißen Männer, die sich dem rechten Radikalismus zuwandten, da ihre Probleme von den Demokraten unter Obama ignoriert wurden.
Diese Datenreihe gehört daher auch mit zu den Erklärungen, warum die extreme Spaltung der amerikanischen Gesellschaft zu solch vorher nie dagewesenen Ereignissen wie den Sturm auf das Kapitol in Washington 2021 führte.
Es würde mich zudem auch nicht wundern, wenn eine ähnliche Entwicklung ebenso in Deutschland feststellbar wäre. Schließlich wurden auch bei uns ab 1982 die Konzepte des wirtschaftspolitischen Kurswechsels in England und den USA unter Margaret Thatcher und Ronald Reagan aufgegriffen.
Es folgten neoliberale Reformen des Arbeitsmarktes, die dann auch von der christlich-liberalen Koalition unter Helmut Kohl, später dann von der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder als „Agenda 2010“ übernommen wurden.
(Eigene aktualisierte Übersetzung und Ergänzung eines schon älteren Blogbeitrages von David F. Ruccio)