Saisonbilanz 2013/2014 – Einzelbewertungen Teil 5

Zum Abschluss dieser kleinen Serie hier noch eine Beurteilung der Stürmer sowie ein Blick auf Trainer Jens Keller und die Aussichten für die neue Saison:

Klaas-Jan Huntelaar im Trikot der Niederlande

Klaas-Jan Huntelaar
Wie wichtig ein wirklich guter Stürmer für eine Mannschaft sein kann, merkt man häufig vor allem dann, wenn er nicht zur Verfügung steht. Beim Holländer Klaas-Jan Huntelaar, dem „Goalgetter mit der eingebauten Torgarantie“, und dem FC Schalke 04 kann man diesen besonderen Zusammenhang nahezu jede Saison beobachten.

Auch in der letzten Spielzeit lief es bei den Blau-Weißen gerade dann nicht, als Huntelaar mit einem Innenbandanriss im Knie pausieren musste.

Kaum war der Niederländer zu Beginn der Rückrunde wieder fit, ging es auch mit der Mannschaft von Trainer Jens Keller wieder bergauf. Zehn seiner zwölf Saisontreffer erzielte Huntelaar währedn dieser Phase und bewies damit einmal mehr, dass die Gelsenkirchener schwerlich auf ihn verzichten können.

Auch seine atemberaubende Gesamtstatistik über alle Wettbewerbe mit 91 Toren in nur 139 Einsätzen spricht da eine deutliche Sprache. Ebenso wurde klar, dass der unglückliche Adam Szalai keineswegs ein gleichwertiger Ersatz sein konnte. Für eine solche Torquote muss man sich schon einen internationalen Topstürmer holen, eine Rolle, mit der der Ungar leider überfordert war.

So scheint es tatsächlich so zu sein, als wäre Huntelaar momentan unersetzlich. Gibt es auf allen anderen Positionen inzwischen eine erhebliches Gerangel um die Stammplätze, hat der Goalgetter seinen wohl ziemlich sicher. Nicht anders ist zu erklären, dass Trainer Keller ihm allein quasi eine Einsatzgarantie für das erste Saisonspiel in Dresden ausstellt, fast unabhängig von seiner derzeitigen Form.

Auch Neuzugang Eric-Maxim Choupo-Moting (zugegebenermaßen ein ganz anderer Spielertyp als Huntelaar und erst recht kein reiner Torjäger) muss da anscheinend zurückstehen und möglicherweise erst einmal auf einer anderen Position spielen.

Einerseits ist es natürlich toll, einen Spieler mit den Qualitäten Huntelaars im Aufgebot zu haben, denn er macht die Mannschaft um einiges stärker, als wenn sie ohne ihn auflaufen müsste. Andererseits könnte sich das aber auch als ein Schwachpunkt des Kaders erweisen, wenn der Holländer noch einmal längerfristig verletzt ausfallen würde.

Da bleibt dann nur die Zuversicht, ihn möglichst gut durch Choupo-Moting, Sidney Sam, Chinedu Obasi oder auch Donis Avdijaj ersetzen zu können.
Hoffen wir einfach mal, dass das nicht allzu oft in dieser Saison passieren muss.

Chinedu Obasi
Wenn man von Pechvögeln im Schalker Kader redet, fällt meist auch der Name des Nigerianers Chinedu Obasi. Und tatsächlich, in den zweieinhalb Jahren seit seinem Wechsel von Hoffenheim absolvierte er nur 41 Pflichtspiele für die Gelsenkirchener.
Hartnäckige Verletzungen warfen ihn auch nach teilweise guten Ansätzen immer wieder aus der Bahn.

So ist es denn auch kein Wunder, dass mir eine Prognose zu Obasi für die neue Saison extrem schwerfällt. Zu wünschen wäre ihm auf jeden Fall, wenn er noch einmal an seine alten Leistungen im Hoffenheimer Trikot anknüpfen könnte.

Realistisch gesehen fällt es mir allerdings schwer, daran zu glauben. Dafür waren seine Leistungen einfach zu unbeständig. Vielversprechenden Auftritten wie beim 2:0 gegen Hertha BSC folgten immer wieder schwache Vorstellungen. Viel zu selten bewies er dabei Torgefährlichkeit oder seine früher gefürchtete Schnelligkeit und technische Brillianz.

Bei der großen Konkurrenz im Schalker Kader (vor Obasi werden wohl vor allem Huntelaar und Choupo-Moting zum Einsatz kommen) dürfte es ihm schwerfallen, tatsächlich noch einmal den Durchbruch zu schaffen.

Eric-Maxim Choupo-Moting
Als Ersatz für den nicht überzeugenden Ungarn Adam Szalai nahm Manager Horst Heldt mit Eric-Maxim Choupo-Moting einen vielversprechenden jungen Stürmer unter Vertrag.
Der Kameruner kommt mit der Empfehlung einer aufsehenerregenden Leistung im Freundschaftspiel gegen Deutschland vor der WM, in dem er auch ein sehenswertes Tor erzielen konnte.

Zwar konnte er das Debakel Kameruns bei der Weltmeisterschaft (3 Niederlagen in der Vorrunde) auch nicht verhindern, doch das war mehr den Unstimmigkeiten innerhalb des Teams und gegenüber den Verantwortlichen als durch Choupo-Motings fußballerische Fähigkeiten bedingt.

Ansonsten hat sich der schlaksige 25-jährige unter den Fittichen von Trainer Thomas Tuchel bei Mainz 05 zu einem technisch starken und antrittsschnellen Bundesligastürmer entwickelt.
Im Gegensatz zum Ungarn Szalai ist Schalke nun im Angriff flexibler, da Choupo-Moting ein ganz anderer Spielertyp ist. So könnte ihn Trainer Keller auch als zweite Spitze neben Klaas-Jan Huntelaar oder im offensiven Mittelfeld einsetzen.

Zusammen mit Sidney Sam dürfte Choupo-Moting die Schalker Offensive noch unberechenbarer machen, da Keller mit ihnen und den vorhandenen Huntelaar, Obasi, Draxler, Meyer, Farfan, Goretzka usw. eigentlich nahezu unbeschränkte Möglichkeiten hat.

Mal sehen, wie sich der Kameruner in Gelsenkirchen einfügen wird. Ich bin jedenfalls schon ganz gespannt!

Donis Avdijaj
Und wieder einer aus dem eigenen Nachwuchs, von dem man sich Großes erwarten kann. Sagenhafte 76 Tore in 82 Begegnungen erzielte der erst 17-jährige in den Jugendmannschaften des S04.
Kein Wunder also, dass auch die Talentspäher anderer Vereine auf Avdijaj aufmerksam wurden.

Doch Horst Heldt reagierte darauf zügig und stattete das Talent mit einem langfristigen Vertrag aus, in dem er zudem eine Ablöse von fast 50 Millionen Euro fixierte.
Eine Menge Holz für einen noch so jungen Spieler, allerdings bin ich der Ansicht, dass sich eine solche Personalpolitik demnächst bezahlt machen wird.

Anstatt die vielverprechenden Talente irgendwann an zahlungskräftigere Vereine abgeben zu müssen, ist eine weitsichtige Kadergestaltung für Schalke unumgänglich, damit man auf Dauer mit München und Dortmund mithalten kann.

Donis Avdijaj steht dabei für mich sinnbildlich für die gute Arbeit der Knappenschule, die, angeführt von A-Jugend-Trainer Norbert Elgert, eine ganze Reihe vielversprechender Talente hervorgebracht hat.
Maurice Multhaup (17), Leroy Sane (18), Timon Wellenreuther (18), Marvin Friedrich (19), Pascal Itter (19), Axel Borgmann (20) oder Marcel Sobottka (20) sind die Bundesligaspieler der Zukunft und für Schalke 04 der Beweis, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Zwar werden wahrscheinlich nicht alle von ihnen den Sprung in die erste Mannschaft schaffen, doch Namen wie Ayhan und Meyer zeigen ihnen, was möglich sein kann.

Avdijaj ist sicher die größte Hoffnung dieser Gruppe, und sein Tor in der Vorbereitung gegen Newcastle deutete schon einmal an, was für ein Potential dieser Junge hat. Da Jens Keller zudem inzwischen dafür bekannt ist, Nachwuchsspieler in den Bundesligakader bestens integrieren zu können, darf man auch in diesem Fall auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

Adam Szalai
Noch ein paar Worte will ich auch dem ungarischen Stürmer widmen, der Auf Schalke meiner Ansicht nach vor allem an zu hohen Erwartungen und dem eigenen unglücklichen Auftreten gescheitert ist.

Dabei begann alles recht vielverprechend: der mit vielen Vorschusslorbeeren (15 Tore in der vergangenen Saison) aus Mainz Gekommene sollte das Sturmdilemma in Gelsenkirchen beheben, das immer wieder bei Ausfällen des holländischen Torjägers Klaas-Jan Huntelaar auftrat.

Weder Ciprian Marica noch Teemu Pukki hatten dies vermocht, nun sollte Adam Szalai diesen Job erledigen. Vier Tore in den ersten acht Spielen und zwei Treffer in der Champions-League-Qualifikation gegen Saloniki ließen Hoffnung aufkommen, dass diese Problem nun endlich gelöst werden könne.
Doch 14 Spiele ohne Torerfolg und mit vielen vergebenen Chancen lösten Unmut unter den Schalker Fans aufkommen.

Plötzlich war vor allem die hohe Ablöse von 8 Millionen Euro das Hauptthema und mit jedem torlosen Auftritt schwand das Selbstvertrauen des Ungarn sichtbar mehr und mehr.
Als dann Huntelaar wieder fit war, fand sich Szalai nur noch auf der Ersatzbank wieder.

Sicherlich war das Auftreten des Ungarn teilweise auch von Unvermögen begleitet, doch sollte man sich von den 15 Toren der Vorsaison nicht blenden lassen. In den Jahren davor erzielte er wesentlich weniger Treffer pro Jahr. Zu hohe Erwartungen und eine zu hohe Ablösesumme belasteten Szalai von Anfang an beim S04.

Hoffen wir, dass es Choupo-Moting besser ergeht.

zum Abschluss: Trainer Jens Keller
So, bevor die Saison beginnt, will ich hier zum Abschluss meiner kleinen Beurteilungsserie auch noch einige Anmerkungen zu unserem Trainer loswerden.
Es dürfte inzwischen bekannt sein, dass ich mich zu seinen Kritikern zähle.

Doch es fällt mir auch nicht schwer, seine gute Arbeit in der Rückrunde anzuerkennen. Schließlich erreichte die Mannschaft unter seiner Leitung noch den dritten Tabellenrang und damit die direkte Teilnahme an der Champions League. Zur Winterpause, als man nach teilweise sehr mäßigen Leistungen nur Platz 7 belegte, war damit nicht unbedingt zu rechnen.

Und es ist nicht zu leugnen, dass Jens Keller daran auch seinen Anteil hatte. Dieser bestand vor allem darin, junge Spieler wie Max Meyer, Sead Kolasinac und Kaan Ayhan in die Bundesligamannschaft zu integrieren und zu Stammspielern zu machen, die dann auch die in sie gesetzten Ansprüche erfüllen konnten. Dies ist ohne Frage hauptsächlich Kellers persönlicher Erfolg. Offenbar hat er da ein besonderes Händchen für den Umgang mit jungen Nachwuchsakteuren.

Trotzdem muss ich noch einmal den Finger in die Wunden legen, die eigentlich schon immer die Kritik an dem Trainer Jens Keller herausforderten. Auch wenn es machmal schon fad und abgestanden wirkt, ist es immer noch das fehlende taktische System, was ständig ins Auge fällt. Im Gegensatz zu einem Guardiola oder Klopp merkt man bei Keller davon nichts, es gibt anscheinend keinen generellen Plan, nach dem die Mannschaft agieren und auch reagieren soll.

Ebenso dürfte es in der neuen Spielzeit interessant werden, wie der Trainer mit diesem großen Kader umgeht, bei dem jede Position mindestens zweimal besetzt ist und die jungen Spieler auf ihre Einsätze brennen.
Nicht zu vergessen, in der Rückrunde stellte sich die Mannschaft aufgrund der desaströsen Verletzungsserie ja fast von allein auf, wer fit war, musste auch spielen, es gab daher so gut wie keine Konkurrenzsituationen.

Nun sieht das komplett anders aus (immer vorausgesetzt, diese Serie wiederholt sich nicht), die Jungen, die sich in der letzten Saison das nötige Selbstvertrauen geholten haben, drängen nun mit Macht in die Mannschaft. Plötzlich gibt es da echte Konkurrenz: wer spielt z. B. hinten links? Der wiedergenesene Dennis Aogo oder Sead Kolasinac? Oder doch noch mal Christian Fuchs, der sich noch einmal so richtig reinhängen will?

Kann Marco Höger sich seinen Platz im defensiven Mittelfeld zurückerobern? Wer muss dann weichen? Boateng oder Neustädter?

Oder spielt der Prince doch auf der 10, wie er es bereits selbst gefordert hat? Was ist dann mit Max Meyer oder Julian Draxler?
Und wen verdrängt womöglich Neuzugang Sidney Sam? Vorerst wohl nur den verletzten Farfan, aber was passiert, wenn der Peruaner wieder fit ist? Wo spielt dann z. B. Leon Goretzka?

Was ist mit der Innenverteidigung? Behalten die WM-Rückkehrer Höwedes und Matip ihre Plätze? Und Santana, Kirchhoff und Ayhan?
Spielt Chrstian Clemens rechter Verteidiger oder doch wieder Atsuto Uchida?

Sicherlich, angesichts einer weiteren Hammersaison mit mehr als vierzig Spielen ist es ein klarer Vorteil, überall möglichst doppelt besetzt zu sein. Aber kommt gerade Trainer Keller mit dieser Situation klar? Kann er dafür sorgen, dass es keine große Unruhe im Kader gibt?
Wir erinnern uns (allerdings nur ungern), Schalke war in der Vergangenheit schon oft von solchen Problemen betroffen. Kriegt Keller das hin?

Es wäre ihm zu wünschen, damit er ein wenig die Ruhe findet, die er sich in der vergangenen Saison eigentlich verdient hat. Doch darf man sich da nichts vormachen, klappt es in den ersten Spielen nicht richtig, gehe ich davon aus, dass die Kritik sofort wieder aufflammen wird.

Nun denn, ab der nächsten Woche wissen wir mehr, wenn endlich der Ball auch in der Bundesliga wieder rollt. Zeit wird’s, die Sommerpause war trotz Weltmeisterschaft (oder gerade wegen der WM?) mal wieder viel zu lang.

Vorher gibt es noch die Pokalpartie bei Dynamo Dresden, wieder mal eine Art „Wundertütenfußball“ mit einer Mannschaft, die so in der Vorbereitung kein einziges Mal zusammen gespielt und erst seit kurzem zusammen trainiert hat.