Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Steuersätzen und Wirtschaftswachstum

Der Blog ACEMAXX-ANALYTICS berichtet über eine lesenswerte Studie von William Gale und Andy Samwick von der Brookings Institution zu der interessanten Frage, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Steuersätze und dem erzielten Wirtschaftswachstum am Beispiel der USA gibt.

Steuersätze und Wirtschaftswachstum
Steuersätze und Wirtschaftswachstum, Grafik: William G. Gale and Andrew A. Samwick in: Effects of Income Tax Changes on Economic Growth, Sept 2014

Er verweist dabei auf einen Blog-Beitrag von Dietz Vollrath, Ökonomie-Professor an der Universität in Houston, der als Fazit der Untersuchung festhält:

Es gibt keine Beziehung. Die Autoren ermitteln keine Veränderung im Trend der Wachstumsrate der realen Wirtschaftsleistung (BIP) pro Kopf in Bezug auf die Grenzsteuersätze, seien es Einkommens-, Ertrags- oder Bundessteuern.

Weiter führt er aus (eigene Übersetzung aus seinem Blog-Beitrag):
William Gale und Andy Samwick haben eine neue Studie über das Verhältnis von Steuersätzen und Wirtschaftswachstum in den USA veröffentlicht. Darin konnten sie keine Zusammenhänge zwischen der Trendwachstumsrate des realen Pro-Kopf-BIP mit Veränderungen bei den Einkommens- oder Kapitalsteuern oder bei Abgaben aufgrund von Bundes-Steuervorschriften feststellen.

Ihr erstes wichtiges Beweisstück ist ein Papier von Nancy Stokey und Sergio Rebelo (1995). Darin wird obige Grafik publiziert, die im oberen Bereich die Steuern in Prozent des BIP darstellt, während im unteren Bereich die Wachstumsrate des BIP pro Kopf wiedergegeben wird.

Dabei kann man erkennen, dass die Einführung von sehr hohen Steuersätzen im Zweiten Weltkrieg, die auch danach als effektive dauerhafte Merkmale der Wirtschaft lange erhalten blieben, an der Trendwachstumsrate des BIP pro Kopf nicht im geringsten etwas geändert hatte.
Der einzige Unterschied nach 1940 in der unteren Figur ist der, dass die Schwankungen in der Wirtschaft weniger schwerwiegend waren als in den Vorjahren. So scheinen die Steuersätze als ein prozentualer Anteil des BIP demnach keinerlei relevante Beziehungen zu den Wachstumsraten zu haben.

Das nächste Beweisstück ist ein Papier von Thomas Hungerford (2012), der allerdings nur die Nachkriegszeit betrachtete und dabei versuchte festzustellen, ob die Schwankungen der Spitzensteuersätze (entweder auf Einkommen oder Kapitalerträge) in einem Zusammenhang mit den Wachstumsraten standen. Sein Resümee war ähnlich dem von Stokey und Rebelo: Es gab schlichtweg keinen.
Wenn überhaupt, so waren höhere Kapitalgewinne mit schnellerem Wirtschaftswachstum verbunden.

Das Fazit aus diesen Ausführungen ist daher, dass es keine Beweise gibt, nach denen sich durch die Änderung der Steuersätze -nach oben oder unten- etwas an der Wachstumsrate der Wirtschaft verändert -nach oben oder unten.


Das Argument, dass Einkommensteuersenkungen das Wachstum erhöhen, wird so oft wiederholt, dass es manche wie ein Evangelium betrachten.

Dabei sprechen jedoch Theorie, empirische Nachweise und Simulationsstudien für eine ganz andere und viel kompliziertere Geschichte.

Steuersenkungen haben zwar durchaus das Potenzial, das Wirtschaftswachstum durch die Verbesserung von Arbeits-, Spar- und Investitionsanreizen zu erhöhen.

Aber sie schaffen gleichzeitig auch Einkommenseffekte, die den Bedarf an produktiver Wirtschaftstätigkeit reduzieren.

Ebenso können sie bereits vorhandenes Kapital weiter subventionieren und so unverhoffte Gewinne und Mitnahmeeffekte für die Vermögensinhaber hervorrufen, durch die Anreize für neue Investitionen untergraben werden.

Und so bleibt festzuhalten, dass die Auswirkungen von Steuersenkungen auf das Wirtschaftswachstum eigentlich völlig ungewiss sind.
Demnach hat auch die von vielen Politikern unterschiedlichster Couleur immer wieder gern gestellte Forderung nach Steuersenkungen als generelle Voraussetzung für stärkeres Wirtschaftswachstum keinerlei echte Grundlage. Sie ist daher tatsächlich das, was man eigentlich schon immer vermuten konnte: ein Mythos.