So kann’s kommen im Leben: da schreibe ich einen Beitrag über Doping im Radsport und kaum ist er online, überschlagen sich förmlich die Ereignisse…
Jan Ullrichs Blutdoping-Beichte
Obwohl ich eigentlich immer irgendwie damit gerechnet hatte, kam die Blutdoping-Beichte von Jan Ullrich für mich doch überraschend.
Beim Nachlesen der Einzelheiten (siehe Ullrich: „Ich bin nicht besser als Armstrong“) wurde mir aber dann schnell bewusst, dass der ehemalige deutsche Tour-Sieger doch nur zugab, was eigentlich schon längst bekannt war.
Wer seit 2006 aufmerksam zugehört und in den Medien mitgelesen hat, dem war natürlich völlig klar, dass Ullrich Blutdoping bei Eufemiano Fuentes betrieben haben musste. Schließlich waren dort auch Beutel mit seinem Blut sichergestellt und ihm zweifelsfrei zugeordnet worden.
Mehr hat man ihm seitdem nicht nachweisen können und mehr hat er nun auch nicht zugegeben. Insofern ist sein Geständnis natürlich viel zu wenig und viel zu spät. Aber es passt leider nun mal haargenau zu all seinen vorherigen Äusserungen, die er zu diesem Thema gemacht hat. Jan Ullrich hat bisher nichts zugegeben, was nicht eh schon bekannt war bzw. was man ihm nicht schon nachweisen konnte.
Daher ist seine Beichte in dieser Form auch praktisch überflüssig und nutzlos. Nutzlos vor allem deshalb, weil sie keinerlei weitere Aufklärung über andere Dopingmethoden, die (mutmaßlich existierenden) Netzwerke in seinen Teams und die Kenntnis und Beteiligung der Mannschaftsleitungen und -ärzte an eben diesen Methoden und Netzwerken enthält.
Das halte ich für besonders enttäuschend, weil ich doch eigentlich nach den vielen Berichten über das systematische Teamdoping bei US-Postal und den Nachfolgerennställen von Lance Armstrong mehr von ihm erwartet hätte.
Ich hatte auf eine Art Lebensbeichte, einen Rundum- oder Befreiungsschlag gehofft, mit dem er endlich reinen Tisch machen, alles zugeben und seine Fans um Verzeihung bitten wollte.
Nun, ich musste wie auch viele andere feststellen, dass ich wohl zu viel erwartet hatte. Leider…
Laurent Jalabert 1998 positiv
Die Meldung, dass der Franzose Laurent Jalabert bei der Tour 1998 positiv auf EPO getestet worden sein soll, kommt in diesem Zusammenhang dann auch nicht mehr wirklich überraschend.
Warum sollte denn auch ein Rennfahrer, der damals zu den Besten seiner Zunft gezählt wurde, ausgerechnet während des Festina-Skandals sauber gewesen sein? Die Tour de France 1998 gehörte schließlich zu den Hochzeiten der EPO-Ära und Jalabert damals zum ONCE-Team des als Doping-Organisator berüchtigten Manolo Saiz.
Der spielte übrigens später auch eine unschöne Rolle in der Fuentes-Affäre, was damit dann wieder den Kreis zu Jan Ullrich schließt.
Neuere Erkenntnisse von Dopingexperten haben übrigens ergeben, dass damals in den 90ern annähernd Neunzig Prozent der niederländischen Radrennfahrer gedopt haben sollen. Im Lichte der Geschehnisse um die Festina-Mannschaft kann wohl von einem ähnlichen Wert für das gesamte Peloton der Tour 1998 ausgegangen werden.
Auch der Umstand, dass Jalabert’s positive Probe erst jetzt bekannt gemacht wurde, kann so kurz vor dem Beginn der Frankreich-Rundfahrt 2013 nicht wirklich verwundern. So hatte die französische Zeitung „L’Equipe“ auch garantiert die gewünschte Aufmerksamkeit erhalten.
Doping-Geständnis von David Kopp
Es bleibt dann wohl dem während seiner Karriere eher unbekannten ehemaligen Radprofi David Kopp überlassen, mit seinem überraschenden Geständnis am meisten zur Aufklärung über die im Radsport praktizierten Dopingmethoden beizutragen.
Der Teamkollege des momentan wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht stehenden Rennfahrers Stefan Schumacher hat damit dessen Anschuldigungen, Gerolsteiner-Chef Hans-Michael Holczer und die Mannschaftsärzte hätten von seinen Machenschaften gewusst, indirekt unterstützt.
Gleichzeitig bestätigte er mit seinen Aussagen auch meinen seit langen gehegten Verdacht, dass Teamchef Holczer nicht so ahnungslos sein konnte und von den Dopingfällen in seinem Team nichts mitbekommen hatte. Schließlich waren es seine zeitweiligen Leistungsträger wie der Italiener Davide Rebellin, der Österreicher Bernhard Kohl und eben Schumacher, die allesamt 2008 positiv getestet worden waren.
Ich bin wirklich gespannt, wie gerade dieser Prozess um Stefan Schumacher weitergehen wird und was da noch alles ans Licht der Öffentlichkeit kommt.
Im Gegensatz zu Jan Ullrich scheinen da noch echte Überraschungen bei der Doping-Aufklärung möglich zu sein.
Immerhin etwas…