Die Verdummungsaktion über „Totalverweigerer im Bürgergeld“ – eine kurze Analyse

„In den ersten elf Monaten des Jahres 2023 entzogen sich insgesamt 13.838 „Totalverweigerer“ Arbeit oder Ausbildung. Das entspricht 0,9 % der erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger.“

Hartz IV Bürgergeld 20221124
Ende 2022 löste das Bürgergeld die bisherige Grundsicherung („Hartz IV“) ab

„Das Bürgergeld an sich macht (wie auch sein Vorgänger Hartz IV) nur einen relativ kleinen und zugleich sinkenden Teil der sozialstaatlichen Ausgaben aus: Zwischen 2010 und 2023 hat sich sein Anteil von 5,8 % auf 4,1 % reduziert. Der Löwenanteil entfällt auf Gesundheit, Rente und Pflege.“

Beide Zitate von Landesbank Baden-Württemberg Klartext: Der Scheinriese Bürgergeld

„Offizielle Zahlen gibt es nicht, lediglich die Zahl der Sanktionen für abgelehnte Stellen. 2024 waren das knapp 24.000. Mit Blick auf die 1,86 Millionen Erwerbsfähigen in der Grundsicherung, die dem Arbeits-markt auch zur Verfügung stehen, sind das lediglich 1,3 Prozent – und davon lehnen nicht alle mehr-fach Stellen ab. Wirkliche „Totalverweigerer“ sind also noch seltener.“

Frankfurter Rundschau vom 20.05.2025

„Verglichen mit den Renten stellt das Arbeitslosengeld ein sehr viel geringeres Volumen dar (typischer-weise 1-2 % des Nationaleinkommens), was daran liegt, dass man durchschnittlich weniger Lebenszeit als Arbeitsloser denn im Ruhestand verbringt.

Sozialhilfeleistungen schließlich machen ein noch unbedeutenderes Volumen aus (weniger als 1 %), das in der Gesamtheit öffentlicher Ausgaben kaum ins Gewicht fällt. Dennoch sind gerade diese Leistungen heftig umstritten.

In beiden Fällen stellen die fraglichen Aufwendungen nur einen verschwindend geringen Teil sozial-staatlicher Leistungen dar.“

Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert (übersetzt von Ilse Utz und Stefan Lorenzer), Beck, München 2014, S. 638/639

Wenn man heutzutage politische Talkshows im Fernsehen, Nachrichten online, im TV oder auf Papier mehr oder weniger aufmerksam verfolgt, könnte man der Meinung sein, Deutschland ginge es (angeblich) so schlecht, weil eine große Anzahl von Totalverweigerern es sich im Bürgergeld bequem gemacht habe und nicht mehr bereit sei, uns mit ihrer Hände Arbeit aus dem Dreck zu ziehen.

Die obigen Zitate beweisen allerdings, dass die ständige gebetsmühlenartige Wiederholung dieser Behauptung jeglicher Grundlage entbehrt und stattdessen eine der größten Verdummungsaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

Die Anzahl der Totalverweigerer ist in Wirklichkeit so gering, dass es überhaupt keinen Unterschied macht, ob diesen Menschen Leistungen gekürzt oder ganz verweigert werden würden. Im Klartext: selbst wenn wir diese Leute verhungern lassen würden (was Gott sei Dank das Bundesverfassungs-gericht ja schon 2019 verhindert hatte), der Sozialetat der Bundesrepublik wäre danach nahezu unverändert.

Und nicht nur das: bereits der französische Ökonom Thomas Piketty hatte vor zehn Jahren darauf hingewiesen, dass die gesamten Hilfen für Arbeitslose nur einen sehr geringen Anteil an den Sozial-budgets der entwickelten Industriestaaten ausmachen. Die Landesbank Baden-Württemberg stellt zudem fest, dass sich dieser Anteil von 2010 bis 2023 in Deutschland zwischen 4 und 6 Prozent bewegte und auch noch rückläufig war.

Man kann also ohne Übertreibung feststellen, dass die ganze Thematik Bürgergeld und erst recht die sogenannten Totalverweigerer nichts anderes sind als die berühmte durchs Dorf getriebene Sau, also ein riesiges Ablenkungsmanöver, um zu versuchen von den wahren Missständen in unserem Lande abzulenken.

Das ganze gleicht damit sehr der 2003 betriebenen Kampagne um „Florida-Rolf“, mit der einst Politiker und Medien die Einführung von Hartz IV vorbereiteten, indem sie absolute Ausnahmefälle zur Regel machten um die Empörung der Bevölkerung zum Abbau des Sozialstaates zu nutzen. Auch damals wollte man sich nicht mit den wirklichen Problemen beschäftigen.

Als da immer noch wären: zu geringe Löhne, ein viel zu großer Niedriglohnanteil in der Bevölkerung, die inzwischen beispiellose und immer weiter ansteigende Ungleichheit zwischen den wirklich Wohlha-benden und den Arbeitnehmern, die erschreckend hohe soziale Immobilität in Deutschland, der eigent-lich nicht mehr zu leugnende Klimawandel und und und…

Für diese Probleme, für die man offenbar keine Lösungen finden will oder die sogar in der öffentlichen Diskussion negiert werden gibt es unter anderem diesen Blog.