Die „sichtbare Hand“, die wir heute benötigen würden

Nach der (in Amerika) lange gefeierten Theorie der „unsichtbaren Hand“ sollte der private Handel nun damit beschäftigt sein, unsere Anstrengungen und Ressourcen auf die Dinge auszurichten, die wir wirklich benötigen, um als kollektive Gesellschaft erfolgreich zu sein.

Kirkcaldy High Street Adam Smith Plaque
Gedenktafel zur Erinnerung an das Haus,
in dem Adam Smith The Wealth Of Nations schrieb.

Stattdessen scheint uns die „unsichtbare Hand“ absichtlich genau in die entgegengesetzte Richtung zu führen. Wie kann das sein? Hat sich etwas grundlegendes geändert, wodurch der Mechanismus der amerikanischen Wirtschaft nicht nur blind, sondern auch rück-sichtslos gesteuert wird?

Die Antwort scheint JA zu sein. Und was sich verschoben hat, ist die Ansicht, dass die geheime Formel der „unsichtbaren Hand“ – das Profitmotiv – nicht länger in der Lage sei, die Kollateralschäden (unbezahlte „Kosten“) zu ignorieren oder zu verbergen, die seit zwei Jahrhunderten von ihr erzeugt wurden.

Genauer gesagt, während das Profitmotiv und die „unsichtbare Hand“ weiterhin die Schäden (am gefährlichsten durch die Kohlenstoffverschmutzung) verbergen und ignorieren (die angeblich der Nutznießer der „unsichtbaren Hand“ ist), kann die Zivilgesellschaft genau das nicht mehr zulassen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Beeinträchtigungen (die jetzt weit über etwaige „Kollateralschäden“ hinausgehen) müssen endlich gestoppt und beseitigt werden – doch die berühmte „unsichtbare Hand“ mit ihrem Gewinnmotivierungssystem ist nicht in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen aus dem einfachen Grund weil dies UNPROFITABEL sein wird.

Wenn Sie das Gewinnmotiv als Leitsystem entfernen, hat die „unsichtbare Hand“ keine Ahnung was zu tun ist. Infolgedessen – und weil die derzeitige politische Machtstruktur Amerikas darauf besteht, dass nur die „unsichtbare Hand“ der Marktwirtschaft das Ruder bedienen darf – treibt das Schiff „Great American Enterprise“ jetzt ohne rationale Richtung herum, nicht in der Lage etwas anderes zu verfolgen als den Reichtum der bereits Reichen noch weiter zu erhöhen.

Nehmen wir nur ein Beispiel: Etwas, das Amerika (und der Rest der Welt) dringend benötigt ist ein voll funktionsfähiges CO2-freies Transportsystem – nicht in fünfzig Jahren sondern in zehn Jahren. Zudem stehen wir vor der sich abzeichnenden Aussicht auf einen nahezu sicheren (und möglicherweise katastrophalen) Klimawandel, der im nächsten Jahrzehnt beginnen wird.

Was tut die „unsichtbare Hand“, um dieses Problem anzugehen? Ihr kleiner Finger ortet einige „Marktbewegungen“, die Elon Musk und den großen Autoherstellern mitteilen, dass irgendwann in Zukunft mit Elektrofahrzeugen „Geld zu verdienen“ ist.

In der Zwischenzeit versteigert der Rest der unsichtbaren Finger immer mehr Leasingrechte für Öl- und Gasbohrungen – denn dort liegen die Gewinne heute, weil mit fossilen Brennstoffen betriebene Autos, Lastwagen und Busse in absehbarer Zukunft weiter Profite machen werden. Das ist eine einfache und unzweifelhafte Logik.

Aber die moderne Gesellschaft hat ab diesem Moment nicht mehr genügend Zeit, um mit der „unsichtbaren Hand“ in eine „Zukunft“ zu gelangen, in der kohlenstoffarme Unternehmen rentabel sind! Vielleicht ist das die wirkliche grundlegende Veränderung, der wir uns jetzt stellen müssen: Es gibt eben gerade nicht mehr genug Zeit, um die „Rentabilität“ zu erreichen – weil der Zug des Klimawandels keine abstrakte Bezeichnung für einen zukünftigen Zeitplan mehr darstellt, sondern die knallharte Realität auf der anderen Seite des Hügels.

Es muss also dringend etwas getan werden. Aber was?

Interessanterweise scheint die Kommunistische Partei Chinas die einzige zu sein, die sich annähernd schnell genug – und entschieden genug – bewegt. Gerry Shih von der Washington Post berichtet, dass, während die Washington DC Metro kürzlich vierzehn Elektrobusse vorstellte (mit viel Tamtam) und damit zu einen der größten Elektroflotten-betreiber in den Vereinigten Staaten wurde, die chinesische Metropole Shenzhen mit mehr als 16.000 Elektrobussen und 12.000 Elektrotaxis bereits das erste kohlenstofffreie öffentliche Verkehrssystem der modernen Welt besitzt. Wie war diese scheinbar unmögliche Transformation erreichbar?

ANTWORT: Man nutzte die SICHTBARE Hand absichtlich gezielter Staatsausgaben, um ein vereinbartes Ziels zu erreichen – (ob das nun Gewinne brachte oder nicht).

Mit anderen Worten, laut der Trump-Regierung und den Idealisten der „unsichtbaren Hand“ hat China betrogen. Eine Regierung soll nicht entscheiden, was getan werden muss – und es darf auch kein Geld geschaffen werden, um dafür zu bezahlen. Das ist nicht fair. Das ist Foulspiel. Das ist illegal! Adam Smith hat vor langer Zeit etwas dazu gesagt – und jeder unserer etablierten Ökonomen kann im Wall Street Journal jede Menge Geschwätz darüber schreiben, warum die „unsichtbare Hand“ nach wie vor der einzige Weg ist, um eine Katastrophe zu vermeiden.

Langweilig, wird China darauf antworten: Wir haben eine Großstadt mit einem voll funktionsfähigen öffentlichen Verkehrssystem ohne Kohlenstoffausstoß. Für uns ist das alles, was zählt. Die Tatsache, dass wir auf unserem Weg dorthin von Grund auf eine Fähigkeit zur Herstellung von Elektrofahrzeugen geschaffen haben, die es uns ab sofort ermöglicht, kohlenstofffreie Transportsysteme in die ganze Welt zu exportieren – darüber beschweren wir uns auch nicht. Und was die Schaffung von Geld angeht, wo soll denn da der Unterschied sein zwischen dem Aufbau von Dingen, die Gewinne bringen und anderen Sachen, die wir für notwendig halten?

Wäre Adam Smith heute noch am Leben, würde er es etwa so formulieren: „Die unsichtbare Hand funktioniert großartig solange sie hervorragende Ergebnisse erzielt – doch wenn sie anfängt, gigantische Fehler zu machen, die das Wohlergehen aller Nationen bedrohen ist es an der Zeit, das Lenkrad an eine SICHTBARE HAND zu geben, die klar erkennt was zu tun wäre – und direkt darauf zusteuert.“

(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des amerikanischen Architekten und wirtschaftswissenschaftlichen Quereinsteigers J.D. Alt)