Der S04 vor dem Revierderby: Tatsächlich schon erster Bayern-Jäger?

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Wer wird Samstag jubeln? Die Schalker oder die BVB-Anhänger?

Puuh, am Ende wirkte das 2:0 über den Hamburger SV zwar recht souverän, trotzdem war doch eine Portion Glück nötig, als Aaron Hunt nach einer guten Stunde nur den Außen-pfosten traf.

Andererseits aber hatten sich die Schalker diesen Erfolg verdient, blieb der Aluminium-Knaller des HSV-Routiniers nahezu die einzige richtig dicke Chance der Hanseaten über 90 Minuten. Und da haben wir dann auch schon die besondere Stärke der Blauen, auf die sie zuletzt immer bauen konnten: die außerordentlich sattelfeste Abwehr.

Unglaublich, dass der Brasilianer Naldo wirklich schon 35 Jahre alt sein soll. Auf dem Platz wirkt er nahezu zehn Lenze jünger, er ist schlicht überall da, wo er gebraucht wird und lässt sich auch nicht so einfach überlaufen. In dieser Form halte ich ihn für den momentan besten Verteidiger der Liga, vielleicht mit Ausnahme der Münchener Süle oder Hummels.

Dagegen darf man aber auch nicht die übrigen Akteure der Dreierkette vergessen. Thilo Kehrer wird mit Sicherheit der nächste Schalker Nationalspieler, wenn er so souverän weitermacht. Seine Abgeklärtheit und Zweikampfstärke sind jetzt schon außerordentlich ausgereift, ihm steht förmlich der Himmel offen, auch wenn er ab und zu zu kleineren Leichtsinnsfehlern neigt. Doch das ist eigentlich nur seiner Jugend geschuldet.

Positiv überrascht hat mich gegen den HSV vor allem der rechte Mann in der Abwehrreihe Benjamin Stambouli. Und das nicht nur in dieser Partie. Meiner Ansicht nach wurde der Franzose zuletzt immer besser, Samstag blieb er fast fehlerlos, spielte zwar sehr unspektakulär, dafür aber äußerst effektiv. Das erneute Fehlen des nach seiner Verletzung wohl noch nicht wieder vollständig fitten Matija Nastasic (er wurde kurz vor Schluss eingewechselt) ließ Stambouli einfach vergessen.

Und das alles vor einem Kapitän Ralf Fährmann, der vielleicht nie besser war als heute. Nicht nur, dass er wie gewohnt Torlinie und Strafraum souverän beherrscht, auch seine Spieleröffnung ist dank Tedesco auf einem völlig anderen Level angekommen. Gut, ein Manuel Neuer wird er in dieser Kategorie nie sein, doch der Unterschied ist schon klar erkennbar. Ich hoffe mal, dass unserem Bundes-Jogi rechtzeitig vor der WM doch noch ein Licht aufgeht und Fährmann vielleicht noch eine Chance erhält.

Über Bastian Oczipka noch viele Worte zu verlieren erscheint inzwischen völlig über-flüssig. Wer war eigentlich noch mal Sead Kolasinac? Auch sein Gegenüber auf Rechts hat sich derweil immer mehr etabliert. Sein nie erlöschender Kampfgeist und Einsatzwille sicherte Daniel Caligiuri offenbar den entscheidenden Vorteil gegenüber dem Spanier Coke, trotz einiger durchaus vorhandenen technischen Schwächen.

Im defensiven Mittelfeld sieht man im Moment eigentlich die größte Leistung, die Trainer Domenico Tedesco bisher auf Schalke vollbracht hat. Aus dem ballverliebten „Künstler“ Max Meyer eine schnell passende und zweikampfstarke „Aufbaumaschine“ gemacht zu haben, zeigt das ganze Können des blau-weißen Übungsleiters. Eine solche Verwandlung von Meyer hätte ich noch vor ein paar Wochen für gänzlich unmöglich gehalten.

Eindeutig offensiver als der U-21-Europameister besetzte der US-Boy Weston McKennie so etwas wie die Achter-Position im Schalker System. Ähnlich einem typischen Box-to-Box-Spieler war er an beiden Strafräumen zu finden, strahlte bereits früh mit einem Kopfball Torgefahr aus und kann wohl mit Fug und Recht als die bisher größte Ent-deckung der noch jungen Tedesco-Ära bezeichnet werden.

Gegenüber diesem Prunkstück an defensiver Kompaktheit verliert unser Angriff insgesamt stark an Bedeutung, was ja als generelles Problem kürzlich schon hier und hier thematisiert wurde. Gegen den Hamburger SV lief es ein wenig besser als zuletzt, vor allem an Effektivität waren Yevhen Konoplyanka, Guido Burgstaller und Franco Di Santo kaum zu übertreffen.

Kaum zog der Ukrainer erstmals richtig in den Strafraum der Hanseaten, lag er auch schon auf dem Rasen und es gab (durchaus zu Recht) Elfmeter für den S04. Di Santo beendete seine Torflaute recht eindrucksvoll und versenkte das Leder direkt neben den Pfosten zur frühen Schalker Führung. Als der HSV nach dem Pausentee giftiger und griffiger zurückkam und das knappe Ergebnis noch einmal in Gefahr brachte, war es wieder Konoplyanka, der nach einem sehenswerten Vorstoß von Caligiuri Burgstaller bediente und so die Vorentscheidung einleitete.

Bemerkenswert finde ich zudem noch die Tatsache, dass dieser Erfolg ohne die beiden Verletzten Leon Goretzka und Nabil Bentaleb sowie auch ohne Amine Harit, der über 90 Minuten auf der Bank bleiben musste, zustande kam. Es ist noch gar nicht so lange her, da mochte man sich ein Schalker Mittelfeld ohne diese drei „Kreativspieler“ eigentlich nicht vorstellen wollen.

Doch zurück zu der Eingangsfrage: Sind die Blauen mit Rang 2 nun tatsächlich schon der Bayern-Jäger Nummer 1? Ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Der Spielplan mit den Begegnungen in Berlin, gegen Mainz, Wolfsburg, in Freiburg und jetzt gegen den Hamburger SV kam den Schalkern zuletzt unheimlich entgegen. Alles Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte, richtige Spitzenteams der Bundesliga waren da nicht dabei. Nicht zu vergessen, dass gerade eine solche Truppe (Hoffenheim) dem S04 die bisher letzte Niederlage zugefügt hatte.

Deshalb ist es auch vor dem Revierderby unheimlich wichtig, jetzt nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Aufgrund der festgestellten Mängel in der Offensivabteilung würde ich die Gelsenkirchener Elf immer noch zumindest hinter München und Leipzig einsortieren, danach kommt es gegenüber Mönchengladbach, dem BVB und der Nagelsmann-Crew vor allem auf die Tagesform an. Besonders aber die kriselnden Dortmunder und ihr Trainer Peter Bosz müssen aufpassen, nach dem Aus in der Champions League gegen Tottenham und dem Derby könnte deren Theater möglicherweise eine Neuauflage des „fliegenden Holländers“ bringen…