50 Jahre Steuersenkungen für Reiche sind laut Wirtschafts-studie nicht nach unten durchgesickert

Steuersenkungen für Reiche werden seit langem von konservativen Gesetzgebern und Ökonomen unterstützt, die argumentieren, dass solche Maßnahmen mittels „trickle down“ letztendlich Arbeitsplätze und Einkommen für alle anderen ankurbeln werden.

President Ronald Reagan addresses the nation from the Oval Office on tax reduction legislation
US-Präsident Ronald Reagan erläuterte in einer Fernsehansprache im Juli 1981 seine beabsichtigten Steuersenkungen

Doch eine neue Studie der London School of Economics sagt aus, dass ca. 50 Jahre solcher Steuersenkungen nur einer Gruppe geholfen haben – den Reichen.

Das neue Papier von David Hope von der London School of Economics und Julian Limberg vom King’s College in London untersucht 18 Industrieländer – von Australien bis zu den Vereinigten Staaten – über einen Zeitraum von 50 Jahren von 1965 bis 2015. Die Studie verglich Länder, die Steuersenkungen in einem bestimmten Jahr verabschiedeten, wie die USA 1982, als Präsident Ronald Reagan die Steuern für Reiche senkte mit denen, die dies nicht taten, und verglich dann die ökonomischen Ergebnisse.

Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosenquote waren nach fünf Jahren in Ländern, die die Steuern für Reiche senkten und in Staaten, die dies nicht taten gemäß der Studie nahezu identisch.

Doch die Analyse ergab eine wesentliche Veränderung: Die Einkommen der Reichen wuchsen in Ländern, in denen die Steuersätze gesenkt wurden, viel schneller. Anstatt in die Mittelschicht hinunter zu „trickeln“, können Steuersenkungen für Reiche nicht viel mehr bewirken, als den Reichen zu helfen, mehr von ihrem Reichtum zu halten und die Einkommensungleichheit zu verschärfen, so die Forschung.

„Auf der Grundlage unserer Forschung würden wir argumentieren, dass die wirtschaft-lichen Gründe für die Beibehaltung der Steuern für die Reichen äußerst schwach ausfallen“, sagte Julian Limberg, Co-Autor der Studie und Dozent für öffentliche Politik am King’s College in London. „Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, war die Zeit mit den höchsten Steuern für die Reichen – die Nachkriegszeit – auch eine Zeit mit hohem Wirtschaftswachstum und niedriger Arbeitslosigkeit.“

Da die Analyse 2015 endet, enthält die Untersuchung nicht die massive Steuerreform von Präsident Donald Trump, die er Ende 2017 unterzeichnete und die Steuern für Reiche und Unternehmen senkte und gleichzeitig eine moderate Senkung für die Mittelschicht darstellte.

Aber Limberg, der die Studie zusammen mit David Hope, einem Gaststipendiaten am International Inequalities Institute der London School of Economics verfasste, war der Ansicht, dass er nicht erwarten würde, dass die Ergebnisse dieser Steuersenkung viel anders ausfallen würden.

Laut einer Studie von zwei prominenten Ökonomen, Emmanuel Saez und Gabriel Zucman von der University of California in Berkeley, haben Trumps Steuersenkungen bereits die Geschicke der Ultrareichen erheblich angehoben. Zum ersten Mal seit einem Jahrhundert zahlten die 400 reichsten amerikanischen Familien 2018 niedrigere Steuern als die Menschen in der Mittelschicht, fanden die Ökonomen heraus.

Die „vorsichtige“ neue Forschung der London School Economics „legt nahe, dass Steuererhöhungen für Reiche als Post-COVID betrachtet werden sollten“, sagte Zucman aus Berkeley in einer E-Mail an CBS MoneyWatch.

Motor für stärkeres Wirtschaftswachstum?
Natürlich brummte die Wirtschaft, bevor die Pandemie im März die Nation heimsuchte, mit einer Arbeitslosenquote, die auf dem niedrigsten Stand seit etwa einem halben Jahrhundert war. Konservative Think Tanks wie das American Enterprise Institute wiesen auf Trumps Steuersenkungen als Motor für ein stärkeres Wirtschaftswachstum hin.

Dennoch hatten Millionen amerikanischer Familien Schwierigkeiten Arbeitsplätze zu finden, die ihnen existenzsichernde Löhne sicherten, während die Kosten für wesentliche Dinge wie Gesundheitsversorgung, Wohnen und Bildung viel schneller stiegen als das typische Einkommen. Schon vor der Pandemie hatte die Einkommensungleichheit nach Censusdaten den höchsten Stand seit 50 Jahren erreicht.

Im Jahr 2020 hat die Pandemie die Ungleichheiten in allen Spektren verschärft und die Kluft zwischen Rassen, Geschlecht und Bildung verändert. Als die Wirtschaft im März stillgelegt wurde, waren Arbeitnehmer, die nicht in die Heimarbeit wechseln konnten – in der Regel schlechter bezahlte Beschäftigte, die in Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastgewerbeberufen tätig waren – am härtesten betroffen.

Gleichzeitig schnitten die Angestellten im Allgemeinen besser ab, da sie ihre Arbeitsplätze eher aufrechterhielten, als sie ins Homeoffice wechselten. Die Anleger profitierten ebenso, als der Aktienmarkt auf eine wirtschaftliche Erholung hoffte – eine Entwicklung, die den meisten Arbeitern der unteren und mittleren Klasse nicht wirklich hilft. Nur etwa die Hälfte der US-Bevölkerung ist über ihre Renten- und Sparkonten in den Aktienmarkt investiert, und selbst dann sind mehr als 80% aller Aktien im Besitz der reichsten 10%.

Seit Beginn der Pandemie ist das Gesamtvermögen der 651 amerikanischen Milliardäre um mehr als eine Billion Dollar gestiegen und Anfang Dezember auf 4 Billionen Dollar gestiegen, so die Organisation Amerikaner für Steuergerechtigkeit im Dezember letzten Jahres.

Inzwischen sind fast 8 Millionen Amerikaner seit Beginn der Pandemie bis November in Armut verfallen, wie neue Daten der University of Chicago und der University of Notre Dame zeigen.

Der Wiederaufbau der Wirtschaft und des Haushaltsvermögens für Familien der unteren und mittleren Mittelschicht gehören zu den Problemen, mit denen der designierte Präsident Joe Biden nach seiner Amtseinführung konfrontiert ist. Steuererhöhungen für Reiche und Konzerne könnten Billionen Dollar an Ressourcen bereitstellen, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen, sagte Zucman dem Sender CBS MoneyWatch.

„Dies ist nicht nur eine praktikable Option, sondern auch eine faire Option, weil einige der reichsten Steuerzahler von der Pandemie profitiert haben – zum Beispiel große Konzerne wie Amazon und ihre Aktionäre“, stellte er fest. „Diese Steuerzahler könnten vernünftiger-weise aufgefordert werden, mehr zu zahlen um Pandemieverluste auszugleichen.“