Die Hauptschwäche der Vampire ist der Knoblauch. Für Werwölfe tut es eine Silberkugel. Und für Zombies? Vielleicht würde ein Anstieg der Zinssätze denselben Zweck erfüllen. Denn seit Jahrzehnten sorgen sich Wirtschaftswissenschaftler nun schon um sogenannte Zombie-Firmen.
Ein Bus mit „The Walking Dead“-Werbung in Manhattan, New York
Timothy Taylor, Redakteur des Journal of Economic Perspectives, hat eine Spur von Referenzen bis 1989 zurück verfolgt, die Sichtungen dieser Zombies in Japan aus den 1990er Jahren und in jüngerer Zeit in China vermerkten.
Die grundlegende Sorge ist dabei die, dass es Unternehmen gibt, die eigentlich „tot“ sein sollten, die sich aber weiterhin durchwursteln und damit die Dinge für alle ruinieren. Das ist eine sehr anschauliche Metapher – vielleicht ein wenig zu plastisch – und sie wird wahrscheinlich in den kommenden Monaten und Jahren getestet werden, wenn die Zentralbanken, wie fast von jedem erwartet, die Zinsen wieder auf das anheben, was Veteranen als „normal“ bezeichnen.
Claudio Borio von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hielt kürzlich eine Rede, in der er sich über die Tendenz niedriger Zinsen als Unterstützung von Zombie-Unternehmen Gedanken machte. Herr Borio zeigte sich anhaltend besorgt über die verzerrenden Auswirkungen niedriger Zinsen, aber das Element des Zombies, welches er anführte, fügte dem Ganzen eine neue Wendung hinzu.
Forscher sowohl der BIZ als auch der OECD, dem Club der wohlhabenden Nationen, haben Beweise gefunden, dass niedrige Zinssätze für die Existenz von Zombies als förderlich erscheinen, die sie als ältere Unternehmen definieren, die nicht genug Geld verdienen, um ihre Schulden zu bedienen. Da die Zinssätze weltweit gefallen sind, sind solche Zombies häufiger geworden und haben auch mehr Durchhaltevermögen gezeigt.
Im Durchschnitt der Industriestaaten USA, Japan, Australien und in Westeuropa hat sich der Anteil dieser Zombies seit 1987 von 2 auf 10 Prozent verfünffacht. Die Zombies wandeln somit mitten unter uns.
Warum sollten wir uns aber Sorgen machen? Eine offensichtliche Antwort ist die, dass Zombies Ressourcen absorbieren. Wenn ein Zombie-Händler einen Platz in der Haupteinkaufsmeile besetzt hält, ist es für einen Start-up oder einen erfolgreichen Mitbewerber schwieriger und teurer, dort einzuziehen. Gleiches gilt für alle Ressourcen von Werbeflächen bis hin zur Elektrizität aber auch dem Personal.
Wir würden normalerweise erwarten, dass ein blühendes Unternehmen in der Lage sein müsste, diese wandelnden Untoten bei allen notwendigen Ressourcen und Investitionen zu überbieten, von der Einstellung eines Finanzdirektors bis zur Verteilung der Flächen in einem Industriegebiet. Doch der Status Quo besitzt immer eine gewisse Macht und in einigen Fällen könnte der Zombie dadurch einen unfairen Vorteil haben.
Betrachten wir beispielsweise eine Zombie-Bank, die von einer staatlichen Garantie gestützt wird, aber im Grunde insolvent ist. Auf Wiederbelebung hoffend, versucht sie zu expandieren, indem sie hohe Zinsen für Einlagen und billige Kredite für neue Gläubiger anbietet. In den späten 1980er Jahren entwickelte Joseph Stiglitz – in der Folgezeit mit einem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet – auf der Grundlage dieser Tendenz ein Greshamsches Gesetz u. a. auch für Banken und Sparkassen: schlechte Unternehmen/Banken verdrängen gute.
In jüngerer Zeit zeigte der Zusammenbruch von Carillion, einer großen britischen Outsourcing- und Baufirma, eine ähnliche Dynamik. Je mehr Carillion kämpfen musste, desto verzweifelter wurde versucht, neue Geschäfte an Land zu ziehen – was aggressive Angebote in Bieterauktionen bedeutete und Carillion untergehen ließ, während sie gleichzeitig auch noch die Konkurrenz aushungerte.
Nachdem ich ein ganzes Buch über die Bedeutung des Scheiterns geschrieben habe, stehe ich natürlich dem Argument von Herrn Borio positiv gegenüber. Moderne Volkswirtschaften haben eine niedrige Konkursrate – sehr wahrscheinlich zu niedrig.
Trotzdem sollte man sich in diesem Punkt nicht zu sicher sein. Für gewöhnliche Ohren hört sich Bankrott erst einmal unzweideutig übel an. Wenn Sie aber zu viel Zeit damit verbringen, über Zombie-Firmen und wirtschaftliche Dynamik nachzudenken, beginnt der Konkurs eindeutig gut zu klingen.
Man zerlege diese Zombies und lasse hochproduktive neue Firmen aus dem reichhaltigen von diesen Zombie-Körpern gedüngten Boden wachsen, das klingt fast wie – vergeben Sie mir bitte dieses Wortspiel – ein No-Brainer (zu deutsch Kinderspiel).
Doch sollten wir wirklich so froh darüber sein, dass so viele Kohlenminen in Großbritannien oder die Autozulieferer von Detroit erfolgreich abgewickelt wurden? Wenn nichts sie ersetzt hat, gibt es auch nichts zu feiern.
Eine der Lehren aus den jüngsten Wirtschaftsforschungen der Ökonomen David Autor, David Dorn und Gordon Hanson war, dass produktive neue Firmen nicht unbedingt so entstehen, wie wir es möglicherweise erhofft hätten. Herr Autor und seine Kollegen haben in einer Reihe einflussreicher Arbeiten auf lokaler Ebene beobachtet, wie sich der plötzliche Schock der Konkurrenz durch importierte chinesische Produkte ausgewirkt hatte. Ihr Fazit: Der Aufschwung folgt weder schnell noch automatisch.
Ebenso ist es für entlassene Arbeitnehmer auch nicht immer leicht, in neue Jobs zu kommen: Wenn Sie mehrere Jahre Stofftiere genäht haben, dann ist der nächste Schritt wenn die Spielwarenfabrik Sie entlässt stattdessen Hemden oder Hosen zu nähen. Doch leider wäre das auch der naheliegende nächste Zug für Importeure oder Roboter.
Wir könnten eine lange Liste von Richtlinien aufstellen, die neuen produktiven Firmen die Neugründung und Expansion erleichtern würden: Bildung, Infrastruktur, flexible Regulierungen, Finanzierungen für Kleinunternehmen und so weiter. Es gibt einige Belege über die Vorteile solcher Richtlinien, doch keine Checkliste kann tatsächlich Ergebnisse garantieren.
Trotzdem sollten wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, wann und wie diese Zombies aussterben. Je einfacher es ist, eine neue Idee zu beginnen, desto schwerer können wir uns damit tun, die alten zu zerstören. Es ist aber notwendig, dass die Zombies sterben müssen, doch damit kann die Geschichte noch nicht zu Ende sein.
(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des britischen Ökonomen Tim Harford)