Nach schlechten Erfahrungen der Deutschen mit dem Schuldner Staat verwundert es heute nicht, daß angesichts zunehmender Staatsdefizite uralte Ängste schnell wieder aufgerührt werden.
Filiale Hannover der Deutschen Bundesbank (Hauptverwaltung in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)
Dies erklärt die große Beliebtheit, der sich auch noch heute jene Deckungsgrundsätze aus der Zeit des 19. Jahrhunderts erfreuen, nach denen die Staatsschuld als schädlich und nur in wenigen Ausnahmefällen als zulässig anzusehen ist. Solches Denken wird den heutigen Erfordernissen jedoch nicht mehr gerecht.
Mit einer in den sechziger Jahren rasch steigenden Geldvermögensbildung risikoscheuer privater Haushalte entstand in der Bundesrepublik zugleich eine immer größere Ver-schuldung im Unternehmenssektor. Dies verstärkt infolge des „Leverage-Effektes“ die Konjunkturanfälligkeit der Unternehmen und damit gleichermaßen die konjunkturellen Zyklen in der gesamten Volkswirtschaft.
Die konjunkturpolitische Chance einer verstärkten Staatsverschuldung könnte also darin bestehen, die Unternehmen von diesem Schuldendruck zu entlasten, indem der Staat die Gegenposition zu den Geldvermögensbeständen der Privaten übernimmt.
Dies leistete zugleich eine Transformation wirtschaftlicher Risiken: Genommen werden den Privaten Steuergelder aus unsicher schwankenden Einkommen und Umsätzen, wofür sie vom Staat sichere feste Zinsen erhalten. Geboten ist also eine stärkere Staatsver-schuldung in Form einer negativen Geldvermögensposition.
Zu berücksichtigen ist nicht zuletzt die Finanzierung einer steigenden Staatsschuld. Wenig hilfreich ist hierbei die gängige Theorie des „crowding out“, in der die Funktionsweise des Kapitalmarktes fälschlicherweise mit der einer Quelle verglichen wird. Da der Staat jedoch die ihm geliehenen Mittel sofort wieder ausgibt, pumpt er – in seiner Funktionsweise ähnlich der einer Fontäne – auf den Kreditmarkt gerade das wieder zurück, was er zuvor abgesaugt hat.
Mit jedem Ausgabenüberschuß des Staates fließen den Privaten daher als Inhaber der entsprechenden Einnahmeüberschüsse Gelder zu, die wiederum neue Anlage suchen. Solange Staatsanleihen noch immer eine gefragte Anlagemöglichkeit darstellen, werden die Probleme des Staates, entsprechende Finanzierungsmittel aufzubringen, auch in Zukunft gering sein.
(Wolfgang Stützel, geschrieben 1978 und immer noch aktuell)