S04: Totgesagte leben länger…

Tja, manchmal geschehen selbst Auf Schalke noch Zeichen und Wunder. Von jedem Spieler hätte ich nach dem zwischenzeitlichen Rückstand gegen den VfB Stuttgart die Impulse für eine Wende erwartet, nur nicht von dem, der sie letztlich lieferte: Kevin-Prince Boateng…

K. P. Boateng

Er galt inzwischen bereits als das sprichwörtlich gewordene Synonym für eine verkorkste Saison in Gelsenkirchen, ja sogar als der größte anzunehmende GAU bei den Spielerverpflichtungen der letzte Jahre. Alles deutete darauf hin, dass Prince Boateng nicht mehr gebraucht würde, dass seine Zeit bei den Blauen endgültig beendet wäre. Der Prinz als das dominierende Bild der Schalker Krise…

Seit seinem unsäglichen Auftritt im Derby war Boateng bei Trainer Roberto Di Matteo offenbar (durchaus zu recht) unwiderruflich abgeschrieben, die Dissonanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit erschien einfach als viel zu groß. In den sieben Spielen seit Dortmund reichte es nur zu drei Kurzeinsätzen, für einen „Führungsspieler“ und Leader eindeutig zu wenig.

Und nun brachte ausgerechnet dieser Boateng die Wende in der Begegnung gegen den Tabellenletzten, zu einer Zeit, als offenbar mal wieder alles gegen die Schalker laufen wollte. Hätte ein Autor ein solches Skript vorgelegt, es wäre höchstwahrscheinlich als zu unrealistisch und zu absurd abgelehnt worden.

Und es brodelte gewaltig in der Veltins-Arena. Nach der durchaus glücklichen frühen Führung durch Klaas-Jan Huntelaar verloren die Schalker wieder einmal unerklärlicherweise den Faden und ließen zu, dass die Schwaben die Partie kurz nach der Pause drehen konnten. Als die Stuttgarter danach immer mehr aufkamen, drohte die Stimmung zu kippen. Wie schon in Mainz wandten sich die treuesten Fans in der Nordkurve ab und feierten sogar Ex-Trainer Huub Stevens.

Dessen aktueller Nachfolger zeigte sich allerdings in der zweiten Halbzeit lernfähig. Erstmals in dieser Saison wechselte Di Matteo kompromisslos auf Angriff, löste damit die defensive „Handbremse“, die er bisher eigentlich immer auch bei Rückständen „angezogen“ ließ und tat so das einzig Richtige. Innerhalb von 15 Minuten brachte er mit Julian Draxler, Boateng und Max Meyer nahezu das gesamte ihm noch verbliebene Offensivpotential.

Damit korrigierte er gleichzeitig seinen schon in Mainz gemachten Fehler, mit Eric-Maxim Choupo-Moting als „hängendem“ Stürmer ohne richtigen Spielmacher angetreten zu sein. Auch diesmal vermochte Choupo in dieser ungewohnten Rolle keine Akzente zu setzen, mit ihm drohte stattdessen (wieder einmal) die gesamte Mannschaft unterzugehen. Es ist für mich einfach unverständlich, warum Di Matteo auch gegen Stuttgart dieser Lapsus unterlief, der schon in Mainz keine positiven Effekte hervorrief.

Erst mit Draxler und Boateng ging ein spürbarer Ruck durch die Mannschaft, die bis dahin wieder einmal wie ein angeschlagener Boxer durch die Arena taumelte. Trotz der frühen Führung gab es keine Sicherheit in den Aktionen, ein nicht gerade schwacher, aber auch nicht mehr als solide aufspielender VfB Stuttgart konnte sich davon erholen und seinerseits zum Halali blasen.

Es war schon erschreckend, dass auch gegen den Tabellenletzten ein 1:0 nicht ausreichte, um das Spiel an sich zu reißen und es souverän weiter zu entwickeln und zu beherrschen. So bekamen die Schwaben ihrerseits rasch Oberwasser und bis kurz nach der Pause zu zwei nicht unbedingt unverdienten Toren.

Der schnelle Serbe Filip Kostic zeigte dem auf der rechten Außenbahn völlig indisponierten Benedikt Höwedes ein ums andere Mal seine eklatanten Schwächen auf, das Sturmduo Martin Harnik und Daniel Ginczek stürzten die zuletzt so sichere und hochgelobte Schalker Abwehr um Joel Matip von einer Verlegenheit in die nächste. Nach der Stuttgarter Führung war so die Mannschaft von Huub Stevens näher an einem weiteren Treffer als die Blauen dem Ausgleich.

Erst mit dem Systemwechsel von Trainer Di Matteo änderte sich die Szenerie. Zum ersten Mal seit gefühlt mehreren Monaten konnten die Schalker ein regelrechtes „Powerplay“ vor dem Stuttgarter Tor aufziehen, etwas was man früher oft gesehen und zuletzt schmerzlich vermisst hatte.

Am Ende war der Sieg dann nicht unverdient, aber auch etwas glücklich. Und trotz aller Freude über den Erfolg nach sechs sieglosen Spielen sollte man nicht vergessen, dass es nur der Tabellenletzte war, den man mit viel Mühe bezwingen konnte. Die Frage, ob damit die Krise der Schalker schon beendet ist, kann man daher getrost verneinen.

Jetzt gilt es, in den noch verbleibenden Begegnungen in Köln, gegen Paderborn und beim HSV nicht nur möglichst viele Punkte mitzunehmen, sondern auch spielerisch noch eine Schüppe draufzulegen, um den Eindruck einer an sich schon verkorksten Saison vielleicht doch noch etwas aufzupolieren.