„Die Notwendigkeit zum Haushaltsausgleich ist ein Aberglaube…ein Mythos. Es ist wie eine religiöse Lehre, die dazu verwendet wird, um Menschen an eine bestimmte Sache glauben zu lassen.“ (Paul Samuelson)
Wahlkampfzeiten dienen oft als eine Erinnerung daran, wie schwierig es eigentlich ist, die durch popu-läre Illusionen getrübte öffentliche Debatte zu durchdringen.
Versucht man es trotzdem – und das gilt dann für alle, die die vorherrschenden neoliberalen Dogmen zerstreuen wollen – so wird man feststellen, dass sich die öffentliche Wahrnehmung wenn überhaupt anscheinend nur quälend langsam verändert.
Bei dem Versuch dies zu ändern ist es eine besondere Herausforderung, die Kernideen einer verän-derten Denkweise den Menschen so einfach und prägnant wie möglich zu vermitteln, auch wenn sie ihnen vorher noch nie begegnet sind.
Wenn es dabei um die Moderne Geldtheorie (Modern Money Theory – MMT) geht, so ist der einfache aber zentrale Punkt der, dass sich für währungsemittierende Regierungen die echten politischen Zwänge nur auf die realen Ressourcen, nicht aber das Geld beziehen.
Es muss dabei vermittelt werden, dass nicht die Geldmenge eine Beschränkung darstellt, sondern im fast gleichen Atemzug der Fokus auf die reale Ressourcen gerichtet werden, wenn über Fragen der Wirtschaftspolitik nachgedacht wird.
Das Denken in dieser Weise hilft sehr, den geistigen Nebel zu beseitigen, der sich sonst bilden kann, wenn man über die Ökonomie nachsinnt.
Welchen Sinn könnte es beispielsweise machen, in einer Zeit erheblicher Arbeitslosigkeit und Unter-beschäftigung die Öffnungszeiten der Bibliotheken zu beschränken, wenn wir die Bibliothekare und die Büchereien doch eh haben? Wie sollte mit dem früheren Schließen der Bibliotheks-Türen etwas Sinnvolles zu erreichen sein?
Wir könnten nur in dem Fall annehmen, dass es eine vernünftige Wahl sei, wenn wir fälschlicherweise davon ausgehen, dass Geld das Hindernis für den Betrieb von öffentlichen Bibliotheken ist. Die natio-nale Regierung mit eigener Währungshoheit kann aber immer gewährleisten, dass die erforderlichen Mittel den staatlichen und lokalen Administrationen zur Verfügung stehen in den Fällen, in denen Bibliotheken auf staatlicher und lokaler Ebene existieren.
Wenn wir die Züge, Schienen und Zugführer doch haben, was für einen Sinn würden dann Einschnitte in den Bahnverkehr haben? Keinen, es sei denn, wir sind davon überzeugt, dass das Geld das Hindernis für eine angemessene Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei.
Wenn wir Lehrer und Schulen; Ärzte und Krankenhäuser; Ingenieure, Bauarbeiter und Rohstoffe haben, was erreichen wir, wenn wir Bildung, Gesundheitsversorgung oder die physische Infrastruktur abbauen würden? Auch hier ist die Antwort nichts, es sei denn, wir gehen davon aus, das Geld das Problem wäre.
Und gleiches gilt für sehr viele andere Aktivitäten.
In „ökonomischen Kreisen“ – ob nun in den Universitäten oder in der Blogosphäre, bei Facebook oder Twitter – kommt manchmal die Meinung zum Ausdruck, dass diese Veränderung des Fokus vom Geld hin zu den Ressourcen vom Otto Normalverbraucher als ohne praktische Bedeutung erachtet würde.
Mit diesem Standpunkt kann man aber nicht wirklich einverstanden sein. Viele Spezialisten auf dem Gebiet der Wirtschaft und Ökonomie scheinen stattdessen eher vergessen zu haben, wie schwierig es war, einen Zugang zu diesem Thema zu bekommen, als man noch kein Fachmann für diesen Bereich war.
Denn wenn die Leute denken, Geld sei die wichtigste Einschränkung für die Wirtschaftspolitik der Regierung, könnten sie sich auch sehr leicht täuschen lassen mit der Annahme, dass Sparen grund-sätzlich Sinn mache.
Für solche Menschen – und im Moment sind diese sicherlich sehr zahlreich – wäre ein grundlegendes Verständnis von MMT nicht nur augenöffnend, sondern könnte auch der Grund für ein grundlegendes Umdenken im Hinblick auf die Ökonomie und die Wirtschaftspolitik werden. Es könnte die ökonomische Perspektive jeder Person auf der grundlegendsten Ebene verändern.
In Bezug auf das wirtschaftliche Verständnis könnte man es durchaus riskieren zu behaupten, dass es den meisten Menschen tatsächlich besser gehen würde, wenn sie den Ideen der Mainstream-Ökono-mie nie begegnet wären. Das heißt nicht, dass es dem Mainstream nicht an Einsicht fehlen würde, insbesondere nicht dem Teil davon, der im Großen und Ganzen aus der keynesianischen Tradition entstanden ist.
Aber in der modernen Mainstream-Ökonomie, wie sie formal den Diplomanden an den Unis und informell den Verbrauchern durch die Massenmedien gelehrt wird, werden diese Einblicke durch ein Gewirr von mystifizierenden neoliberalen Vorstellungen weitgehend verkleistert.
Hierzu zählen vor allem die fehlerhafte Analogie der Regierung als Einzel-Haushalt sowie die vermeintliche Attraktivität die Regierung wie eine Firma führen zu wollen. Die Wirtschaft wird fälschlicherweise als der bestimmende Faktor in der Gesellschaft betrachtet und nicht als in eben dieser Gesellschaft eingebettet gesehen. Kurz gesagt ist es die Annahme des Mythos, dass „es keine Alternative gibt“.
Für die gegenwärtig im neoliberalen Dogma Gefangenen würde es wahrscheinlich effektiver sein, bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Probleme einfach über die realen Prozesse und Ressourcen innerhalb einer bestimmten Politik nachzudenken (oder nachzufragen) und deren Machbarkeit anhand dieser konkreten Bedingungen in Betracht zu ziehen.
Sobald dieser einfache, aber wichtige Unterschied zwischen Geld und realen Ressourcen verstanden wurde, ist der Weg bereitet, ein genaueres Verständnis von Geld zu entwickeln, seine Rolle in einer modernen Ökonomie und wie es „funktioniert“.
Die Veränderung der Perspektive ist recht einfach, doch zugleich erfordert sie so etwas wie eine radikale Kehrtwendung. Vieles von dem, von dem wir bisher annahmen es verstanden zu haben, wird damit „auf den Kopf gestellt“. Es erscheint wie eine Offenbarung.
Sobald wir es verstanden haben, erscheint es einfach und offensichtlich, und wir würden nie wieder zurück wollen.
Es gibt nichts Erschreckendes auf der anderen Seite. Die Änderung in der Perspektive muss nicht zwangsläufig jede unserer persönlichen Ansichten über Politik oder politische Fragen in Zweifel ziehen, es sei denn, diese Ansichten waren nur aufgrund der falschen Vorstellung zustande gekommen, dass das Geld anstatt der Ressourcen die Handlungsfähigkeit einer eigenes Geld herausgebenden Regierung einschränkt.
(Eigene Übersetzung eines älteren Blogbeitrages des australischen Ökonomen Peter Cooper)