21.08.2013 – Champions-League-Qualifikation: Schalke 04 gegen PAOK Saloniki
Es sollte ein schöner, entspannender Besuch eines Fußball-Spieles meines Vereines, des FC Schalke 04, werden. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich am Mittwoch wieder einmal die Möglichkeit, ein Spiel der Knappen aus der Nordkurve zu verfolgen.
Bei meinen letzten Besuchen war ich immer auf Karten im freien Verkauf angewiesen, über den Ticket-Shop kann man aber nur Karten für Sitzplätze erwerben. Dieses Mal jedoch hatte mir ein Freund ein Ticket für den Block 6 der Nordkurve besorgen können.
Selbst das Wetter spielte mit, und ich begab mich mit tausenden anderen Fans auf den Weg zur Arena in der Hoffnung, Zeuge eines sportlichen Großereignisses zu werden. Doch es sollte anders kommen…
Leider hielt das Schalker Spiel in der Champions League Quali gegen PAOK Saloniki über weite Strecken sportlich nicht das, was ich und viele andere Knappen-Fans sich erhofft hatten. Doch die eher enttäuschende Leistung der Schalker Mannschaft soll nicht das Thema dieses Beitrags sein.
Es geht hier viel mehr um die Ereignisse, die direkt im Anschluss an das Gegentor der Griechen in der zweiten Halbzeit wie aus heiterem Himmel über die Fans in der Nordkurve hereinbrachen. Ich wurde plötzlich Augenzeuge, wie sich Polizeibeamte unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken vom Spielfeld aus massiv Zugang zur Fankurve verschafften. Einige Augenblicke später waren auch die Zugänge von oben zum Block 4 von Einsatzkräften blockiert, die sich den Weg nach unten freimachten.
In der Kurve und im halben Stadion erhob sich ein gellendes Pfeifkonzert, und selbst von der Gegengerade schallten Rufe wie „Bullen raus!“
Noch heute, beim Schreiben dieser Zeilen, bin ich immer noch fassungslos über die Art und Weise dieses Polizeieinsatzes, den ich aufgrund der bis dahin völligen Friedfertigkeit der Schalker Fans (im Gegensatz zu den Saloniki-Anhängern, die im Gästeblock Pyros und Knaller gezündet hatten) als absolut unverhältnismäßig und überzogen ansehe.
Über die Hintergründe dieses Einsatzes, das (angebliche?) Drohen griechischer Fans mit Platzsturm und Spielabbruch wegen einer provozierenden mazedonischen Flagge ist schon genug im Web geschrieben worden. Wer sich darüber erkundigen möchte, kann dies z. B. im Online-Auftritt der WAZ nachlesen.
Sprachlos hat mich allerdings das Interview mit einer Polizeisprecherin auf Radio-Emscher-Lippe gemacht, die nicht in der Lage war zu erklären, was denn an dieser Fahne volksverhetzend gewesen sein soll.
Nach allem, was ich bisher in der Presse und im Internet gelesen habe, bleiben für mich momentan einige entscheidende Fragen übrig: War diese Entscheidung der Einsatzleitung tatsächlich sachlich richtig und angemessen? Gab es zu diesem Zeitpunkt keine andere Möglichkeit, auf die angeblich bevorstehende und/oder angedrohte Eskalation zu reagieren? Hat man wirklich alle Optionen wahrgenommen, den anscheinend bevorstehenden Konflikt möglicherweise auch noch anders lösen zu können?
Ist es angemessen, zur Abwehr einer angeblichen Gefahr eine tatsächliche Gefahr für Hunderte Unbeteiligte selbst wissentlich herbeizuführen? Die Videos im Netz beweisen meiner Ansicht nach eindrücklich, dass die Polizei mit 3-4 Hundertschaften gleichzeitig von oben und unten in einen vollbesetzen Fanblock eingedrungen ist, d.h. ca. 300-400 Beamte einsetzte, um eine einzige Fahne zu konfiszieren. Diese Tatsache belegt für mich klar, dass die Einsatzleitung bei der Entscheidung zu diesem Vorgehen eindeutig davon ausgegangen ist, dass sich die Ultras diese Flagge nicht einfach ohne Gegenwehr abnehmen lassen werden.
Damit ist aber für mich auch eindeutig, dass man von Seiten der Polizei von vornherein in Kauf genommen hat, in diesem Block Schlagstöcke und Pfefferspray einzusetzen und damit auch eine Auseinandersetzung mit Schalker Fans als Ergebnis dieses Einsatzes nicht nur für möglich sondern als sehr wahrscheinlich angenommen hatte.
Das heißt aber auch, dass man zwangsläufig dabei viele Unbeteiligte (in diesem Block standen nicht nur Ultras, sondern auch überwiegend ganz normale Fans, die zu diesem Zeitpunkt in ihrer Mehrzahl überhaupt nicht wussten, wie ihnen geschah…) einer tatsächlichen Gefahr der durchaus möglichen unkontrollierten Eskalation direkt und vorsätzlich ausgesetzt hatte.
Ist das angemessen und verantwortbar? Nach Angaben der Gelsenkirchener Polizei war dieses Vorgehen anscheinend alternativlos.
Wäre es aber nicht angemessener und richtiger gewesen, auf die Urheber der angedrohten Gefahr, nämlich die griechischen Fans, zu reagieren? Wäre es nicht verhältnismäßiger gewesen, den Gästeblock mit den vorhandenen Polzeikräften abzuriegeln, um bei einer tatsächlichen Ausführung der Drohungen angemessen handeln zu können?
Können griechische Polizeibeamte tatsächlich in einem deutschen Stadion entscheiden, was volksverhetzend ist? Wohlgemerkt, nach meinem jetzigen Kenntnisstand ist diese Fahne hier nicht verboten! Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Meinungsäußerung eines griechischen Fans, der die Gefahr eines Platzsturmes durch die Saloniki-Anhänger verneint.
Warum gibt es zudem massive Diskrepanzen zwischen den Darstellungen der Polizei und den Verantwortlichen des FC Schalke 04? Wer hat Recht? War der Verein über den bevorstehenden Einsatz informiert oder nicht? Oder haben Vertreter des Vereins ihn gar gefordert?
Es sieht so aus, als wäre in diesem Fall in den nächsten Tagen und Wochen noch eine Menge Nachforschungen und Aufklärungsarbeit von allen Beteiligten (und vor allem von den Medien!) dringend erforderlich.
Es kann meiner Ansicht nach nicht sein, dass ein solch fragwürdiger Einsatz der Polizei ohne einen gewaltigen Nachhall in der Öffentlichkeit akzepziert wird. Ich bin ganz gewiss nicht gegen notwendiges Vorgehen der Ordnungskräfte bei gewalttätigen Fußballfans, ganz im Gegenteil! Doch das muss immer in einem angemessenen und verantwortbaren Rahmen erfolgen, schließlich darf auch die Polizei nur auf der Grundlage von Recht und Gesetz handeln!