S04: Erfreulicher Erfolg mit kleinem Wermutstropfen…

Ok, ich geb’s ja gerne zu: auch ich gehörte zu den Skeptikern, die sich vor der Reaktion der Bayern nach der 1:4-Niederlage in Wolfsburg etwas gefürchtet und daher mit einiger Besorgnis dem Gastspiel der Schalker in München entgegengesehen hatten.

Nichts wäre schlimmer gewesen, als im Angriffswirbel einer bis in die Haarspitzen auf Wiedergutmachung sinnenden Bajuwaren-Elf sang- und klanglos unterzugehen und möglicherweise mit einer richtigen Packung wieder nach Hause geschickt zu werden.

Allianz Arena München

Und nach den letzten Ergebnissen der Blau-Weißen in der Allianz Arena (1:5, 0:4, 0:2 und 1:4) schien das nun wirklich nicht unwahrscheinlich sein zu können. Hoffnung gab mir dabei allerdings die Vita unseres Trainers Roberto Di Matteo: Stichwort „Finale dahoam“!

Wenn also einer weiß, wie man die Bayern vor eigener Kulisse so richtig in Verlegenheit stürzen kann, dann wohl unser neuer Übungsleiter. So hegte ich doch ein wenig Hoffnung, als Schiri Dankert aus Rostock am Dienstag Abend beide Mannschaften zum Tanz bat.

Dass die Schalker dann mit einer strikten defensiven Ausrichtung im inzwischen schon fast gewohnten 3-5-2 (oder 5-3-2)-System antraten, war letztlich keine große Überraschung mehr. Schließlich hatte Di Matteo 2012 mit Chelsea mit ähnlicher Taktik die Champions League gewonnen. Kein Grund also, diesen erfolgreichen Ansatz nicht auch an diesem bitterkalten Abend anzuwenden.

Zwar begann das Spiel wie erwartet mit einer starken und dominierenden Elf von Pep Guardiola, doch die defensive Formation der Gelsenkirchener hielt eigentlich ganz gut, ohne allerdings wie Wolfsburg mit gezielten Kontern für Entlastung sorgen zu können.

Daher entbehrte es nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet einer der wenigen langen Bälle aus der Schalker Verteidigung bereits nach 17 Minuten für eine grundlegende Veränderung sorgte. Jerome Boateng kann den schnellen Sidney Sam an der Strafraumgrenze nur noch mit unerlaubtem Körpereinsatz bremsen und bescherte seiner Mannschaft so nummerische Unterlegenheit und einen Elfmeter für die Blauen.

Leider schien Eric-Maxim Choupo-Moting, in der Hinrunde noch ein sehr zuverlässiger Strafstoßschütze, durch seine Dauerbelastung in der Winterpause (er nahm mit Kamerun am Afrika-Cup teil) so geschwächt zu sein, dass diesmal nicht mehr als eine laue „Rückgabe“ in die Arme von Bayern-Keeper Manuel Neuer drin war.

Apropos Sidney Sam: der als Verlegenheitsstürmer und Huntelaar-Ersatz (der holländische Nationalspieler muss nach seiner Roten Karte gegen Hannover noch eine längere Sperre absitzen) aufgebotene Mittelfeldakteur lieferte sein bisher bestes Spiel im Schalker Trikot ab, offenbar liegt ihm diese Rolle momentan mehr als die doch bis dato eher enttäuschenden Einsätze an der rechten oder linken Außenlinie.

Gut funktionierte auch die Dreier-Innenverteidigung mit Benedikt Höwedes, dem endlich wieder fitten Joel Matip und Neuzugang Matija Nastasic. Schalkes Mannschaftskapitän krönte seine Leistung mit dem sehenswerten Treffer zum verdienten 1:1-Ausgleich und ließ auch so trotz Münchener Dauerdruck nicht viel anbrennen.

Besonders gefallen hat mir aber auch der Serbe Nastasic. Nach nur zwei Wochen in Gelsenkirchen spielte er in seinem zweiten Pflichtauftritt für Schalke so, als wenn er schon ewig zum Team gehören würde. Ruhig, ballsicher, zweikampfstark und mit gutem Blick für die Mitspieler wirkte er ganz anders als der oft unsicher aufgetretene Felipe Santana (der übrigens für die Rückrunde an den griechischen Verein Olympiakos Piräus ausgeliehen wurde).

Meiner Ansicht nach haben die Blauen da einen echten Toptransfer getätigt. Wenn man dazu noch bedenkt, dass er bisher nur ein Saisonspiel für Manchester City in der Hinrunde absolviert hatte, dann waren seine bisherigen Leistungen schon bemerkenswert.

Große Hoffnung setze ich auch auf Joel Matip als zentralen Aufbauspieler in der Dreierkette. Gegen die Bayern vor allem noch mit Defensivaufgaben ausgelastet, sehe ich in ihm (und möglicherweise Jan Kirchhoff als Backup) eine mögliche Lösung für das Problem der zuletzt oft nicht vorhandenen Spieleröffnung aus der Abwehr. Mit zwei so starken Nebenleuten wie Höwedes und Nastasic sollte es möglich sein, dass sich Matip mit seinen durchaus vorhandenen Fähigkeiten häufiger nach vorn wagt, um im Spielaufbau ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.

Weniger auffällig war gegen Bayern dagegen das Mittelfeld mit den beiden Außen Fuchs und Uchida sowie dem Dreieck Neustädter, Boateng und Meyer. Das lag aber vor allem an den kaum vorhandenen Offensivaktionen, in der Defensive erfüllten alle fünf ihre Aufgaben mit sehr viel Einsatzwillen und Laufarbeit.

Und als ob die Schalker nicht schon genug Verletzungssorgen hätten (neben den bekannten Langzeitausfällen konnten auch Marco Höger und Jan Kirchhoff wegen diverser Wehwehchen den Trip in die bayrische Landeshauptstadt nicht mitmachen), musste nach der Pause auch noch Ersatzkeeper Fabian Giefer mit Leistenproblemen die Handschuhe ausziehen.

So kam Timon Wellenreuther, im Vorjahr noch Stammtorhüter bei der Gelsenkirchener U23, etwas überraschend zu seinem Bundesligadebüt. Doch von besonderer Nervosität war bei dem 19-jährigen nichts zu spüren, er machte seine Sache im Gegenteil ganz ordentlich und war an dem Münchener Führungstreffer durch Arjen Robben schuldlos.

Nach dem Schlusspfiff blieben dann die Schalker Spieler und auch viele Fans etwas ratlos zurück. Sicher, nach den Befürchtungen vor der Partie war ein 1:1 in München klar als Erfolg zu werten, hatte man doch eher mit einer deutlichen Niederlage gerechnet.

Doch der verschossene Elfmeter und die Rote Karte für Jerome Boateng bildeten einen kleinen Wermutstropfen in der Zufriedenheit der Gelsenkirchener. Letztlich musste man konstatieren, dass mit etwas mehr Mut und Konsequenz möglicherweise auch mehr in München zu holen gewesen wäre. Oder anders gesagt: noch nie war es so leicht, einen Sieg aus der Allianz Arena mitzunehmen.

Klar, das nicht gegebene Eigentor von Atsuto Uchida sprach etwas dagegen, nach den Videoanalysen von Sky schien der Ball von Lewandowski nicht im ganzen Umfang die Torauslinie überschritten zu haben. Doch wenn das Leder noch im Spiel gewesen wäre, hätte es die nachfolgende Ecke dann nicht gegeben. Wie auch immer man die Situation dreht und wendet, es wäre in jedem Fall nur bei einem Tor für die Bayern geblieben.

Trotzdem bin ich am Ende mit der Leistung der Mannschaft in München zufrieden: angesichts der vielen Ausfälle und des Torwartwechsels ist ein Punkt ein gewonnener Punkt, auch wenn vielleicht drei drin gewesen wären. Es bleibt ein in der Defensive offenbar endlich gefestigtes Team, damit hat Roberto Di Matteo anscheinend eines der brennendsten Probleme aus der Keller-Ära vorerst lösen können.

Machen wir uns nichts vor, diese Ausrichtung werden wir in der nächsten Zeit auch auf eigenem Platz wohl noch öfter erleben können. Defensiv stabil stehen, möglichst keine Gegentore hinnehmen und dann mal sehen. Zur Erfüllung dieses Zwecks wird dann auch schon mal vermehrt der Ball dem Gegner überlassen, um auch die hauptsächlich auf Absicherung bedachten Mannschaften etwas aus der Reserve zu locken.

Nimmt der Gegner diese Taktik an in der Hoffnung, doch den einen oder anderen Punkt aus der Veltins-Arena mitnehmen zu können, so wird versucht, diesen auch zu Hause auszukontern. Gegen Hannover konnte man diese Spielausrichtung bei nur 38% eigenem Ballbesitz zum wiederholten Mal „bewundern“. Keine besonders attraktive Spielweise, und wer eine dominante Schalker Mannschaft mit Dauerdruck auf das gegnerische Tor erwartet, wird wohl in den nächsten Partien möglicherweise enttäuscht werden.

Daher darf man gespannt sein, wie dieses System nun heute gegen Borussia Mönchengladbach funktionieren wird, immerhin einer der direkten Konkurrenten um einen Platz in der Champions League. Dessen Trainer Lucien Favre, sicherlich einer der taktisch besten Übungsleiter der Liga, wird sich diese Veränderung im Schalker Spiel sicher genau angeschaut haben.

Die Gladbacher sind mit zwei Siegen optimal in die Rückrunde gestartet, deshalb dürfte der Aufgalopp gegen die Fohlenelf wohl ein wirklicher Prüfstein werden, inwieweit die Mannschaft das System Di Matteo schon verinnerlicht hat…