Ein Blick auf die Tabelle offenbart vor der Länderspielpause an diesem Wochenende sehr Ungewöhn-liches für Knappen-Fans: nach vier Spieltagen auf dem 2. Platz gleichauf mit der SV Elversberg mit 9 Punkten und 5:3 Toren.

Innenansicht der Veltins-Arena 2009
Vor einem Jahr hatten die Schalker zum selben Zeitpunkt in der Saison nur 4 Punkte und ein Torver-hältnis von 9:9 (!). Nach einem guten Start mit dem 5:1 gegen Braunschweig war längst schon wieder Ernüchterung eingetreten, nachdem es gegen den Club und Köln deutliche Schlappen gegeben hatte.
Der Rest dürfte ja noch allseits bekannt sein, die Spielzeit endete schließlich als die schlechteste der Blau-Weißen jemals in der 2. Bundesliga. Und nun sollte es also Miron Muslic als neuer Übungsleiter richten.
Über die mit dem neuen Schalker Coach verbundenen Hoffnungen auf Besserung hatte ich ja bereits in einer Saisonvorschau ein wenig geschrieben. Zeit also, nach vier Spieltagen eine erste Bilanz zu ziehen.
Was als Erstes natürlich sofort ins Auge fällt ist die viel erfolgreichere Abwehrarbeit. Torwart Loris Karius konnte bisher die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Er wurde gerade rechtzeitig zum Start wieder fit und hielt in Dresden sogar seinen ersten Elfmeter für den S04.
Als sicherer Rückhalt erleichterte er es sowohl dem Trainer als auch der Mannschaft, das angedachte Konzept Verbesserung der Abwehrarbeit zügig umzusetzen. Mit den Neuzugängen Timo Becker, Nikola Katic und Hasan Kurucay in der Dreierkette wurde die Defensive der Knappen wieder zu einem richtigen Bollwerk.
Selbst der Argentinier Felipe Sanchez, nach der letzten Saison schon als teurer Transfer-Flop eingestuft, bewährte sich als Notstopfen und Ergänzung in der Defensive, ebenso wie Jugendspieler Vitalie Becker und der Schweizer Adrian Gantenbein, der sich wider Erwarten auf der rechten Schiene stark verbessert zeigte.
Auch Neuzugang Finn Porath von Holstein Kiel, auf beiden Außenbahnen und der Sechs einsetzbar konnte sich bisher als gute Alternative auszeichnen. Nach einem Jahr Bundesliga-Erfahrung dürfte er auf Dauer eine echte Verstärkung darstellen.
Ron Schallenberg und der aus der 3. Liga gekommene Soufiane El-Faouzi stabilisierten das defensive Mittelfeld und besonders letzterer begeisterte mit einem unermüdlichen Laufpensum, Zweikampfstärke und guter Technik.
Als Achillessehne des Schalker Spiels erwies sich bisher der kreative Aufbau und das Herausarbeiten von genügend Torchancen. Zumeist wurde das Leder von hinten hoch und relativ planlos nach vorn geschlagen, wo man auf die sogenannten zweiten Bälle hoffte, die zumeist aber nicht erobert werden konnten.
So wirkte das Schalker Offensivspiel überwiegend planlos und uneffektiv, die Bälle gingen oft sehr schnell wieder verloren und die Stürmer (Moussa Sylla, Emil Höjlund oder Peter Remmert) hingen wirkungslos in der Luft. Bisher konnte Kapitän Kenan Karaman nach überstandener Verletzung noch nicht für die nötigen Akzente sorgen.
Unterstützung soll er nun durch den in letzter Minute am Deadline Day erworbenen Senegalesen Christian Gomis erhalten, der zuletzt für den FC Winterthur in der höchsten Schweizer Liga kickte. Mit seiner intensiven Spielweise und Laufstärke, so die Schalker Verantwortlichen, passe er perfekt in das Anforderungsprofil von Miron Muslic.
Man darf gespannt sein, wie sich das auf das bisher eher maue Angriffsspiel der Knappen auswirken wird. Dabei soll Gomis keineswegs Torjäger Sylla, der überraschenderweise bis zum Montag nicht verkauft wurde, in der vordersten Spitze Konkurrenz machen. Eher sieht man ihn offenbar neben Karaman direkt dahinter, wo Christopher Antwi-Adjei sich zwar bisher verbessert aber noch nicht wirklich kreativ zeigte.
Noch ist es auf Schalke relativ ruhig, die meisten Fans akzeptieren das bisherige erfolgreiche Abschnei-den, was nach zwei eher schlechten Spielzeiten auch kein Wunder sein dürfte. Die Fortschritte in der Defensive sind für jeden klar erkennbar und dass gerade Veränderungen im Spiel nach vorne mehr Zeit benötigen dürfte ebenfalls ersichtlich sein.
Ich finde das Projekt von Miron Muslic in jedem Fall sehr spannend, er hat es immerhin geschafft, die Schalker Schießbude hinten nahezu in Rekordzeit dicht zu machen. Wie lange er letztendlich bleiben darf, wird aber entscheidend davon abhängen, ob er es schafft, die Offensive der Knappen zu beleben und einen zumindest im Ansatz attraktiven Stil spielen zu lassen.
Realistisch gesehen sollte das aber durchaus in den nächsten Monaten möglich sein, obwohl Muslic‘ bisherige Vita dies nicht so wirklich hergibt. Der Knackpunkt wird also sein, ob er über seinen Schatten springen kann, seinen bisherigen Stil den Schalker Gegebenheiten anpassen kann und somit dem Ver-ein auch längerfristig eine neue Philosophie geben kann.