Willkommen im Abstiegskampf! Rinnt dem S04 diese Saison nun endgültig durch die Finger?

Sonntag Abend ab etwa 19.30 Uhr ließ sich die finstere Tatsache nicht mehr umgehen oder gar schönreden: nach dem 1:0-Erfolg des Hamburger SV über Hertha BSC sind es nur noch mickrige vier Zähler zwischen dem FC Schalke 04 und dem Relegationsplatz in der Bundesliga.

Stadion Gladbach
Außenansicht der Südseite des Stadions im Borussia-Park

Damit befinden sich die Blau-Weißen ab sofort im Fight um den Klassenerhalt! Ohne wenn und aber! Und alles Gerede über den internationalen Fußball dürfte somit endgültig verstummen. Denn die Umstände der 2:4-Schlappe bei der Mönchengladbacher Borussia haben auch für das Achtelfinale in der Euro League klare Verhältnisse geschaffen.

Nach der Nicht-Leistung über weite Strecken der Begegnung gibt es nur noch einen Favoriten für diese K.O.-Runde, und das ist mit Sicherheit nicht der S04! Hatte man vor dem Spiel noch darauf gehofft, dass nun mit Gladbach, Augsburg und Mainz schlagbare Gegner kommen würden, so sorgte nicht nur der sintflutartige Regen im Borussia-Park für eine deftige Abkühlung.

Nix war es mit Kontrahent auf Augenhöhe! Bereits nach wenigen Sekunden hätte der wiedergenesene Brasilianer Raffael fast das erste Mal eingenetzt, und es dauerte fast 15 Minuten, bis die Schalker Hintermannschaft sich auf das schnelle Angriffsspiel der Niederrhein-Elf halbwegs einstellen konnte.

Danach verflachte das Spiel zusehends, da die Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl zwar den Gegner immer besser in den Griff bekam, ab der Mittellinie aber enorme Probleme im Entwickeln offensiver Ideen offenbarte. Aus heiterem Himmel erfolgte dann das Führungstor der Gladbacher, als Fabian Johnson die fehlende (oder ungenügende?) Kommunikation zwischen Benny Höwedes und Alessandro Schöpf ausnutzen konnte.

Nach dem Schalker Ausgleich durch den berechtigten Foulelfmeter von Nabil Bentaleb aber begann schon der offenbar unaufhaltsame Abstieg des S04, dem die Kontrolle über den Gegner immer mehr durch die Finger glitt. Unerklärliche Fehler und Abstimmungs-probleme führten zu zwei schnell hintereinander folgenden Gegentoren um die 65. Minute herum, und es war nur einem starken Ralf Fährmann zu verdanken, dass es am Ende nicht ähnlich desolat wie für Bayer Leverkusen in Dortmund ausging.

Trotzdem zeigte sich im zweiten Durchgang ein erschreckender Klassenunterschied, vor allem was die Schnelligkeit und Kombinationssicherheit der Offensivaktionen anging. Die Gelsenkirchener ließen hier so ziemlich alles vermissen und es waren nicht nur die überragenden individuellen Fähigkeiten von Lars Stindl und Raffael, die diesen Gegensatz ausmachten.

Doch damit nahm die Fehlerkette noch längst kein Ende. Im Mittelfeld wirkten Benjamin Stambouli und auch Nabil Bentaleb behäbig und schwerfällig, während die Gladbacher, vor allem Patrick Herrman und der US-Amerikaner Johnson im D-Zug-Tempo an ihnen vorbeirauschten. Und schließlich die Abwehr: wer bisher geglaubt hatte, die drei verbliebenen Innenverteidiger Höwedes, Badstuber und Nastasic werden schon irgendwie den Ausfall von Naldo kompensieren können, sah sich nach dem Bayern-Spiel wieder enttäuscht.

Und schließlich muss man auch das System des Übungsleiters kritisieren. Galt es bis vor kurzem wenigstens noch als Hort defensiver Sicherheit, so dürften drei Gegentore in München und deren vier am Niederrhein auch diesen Nimbus mächtig geschreddert haben. Ganz im Gegenteil zeigen sich immer öfter Abnutzungserscheinungen gerade auf den Außenbahnen, wo beim 5-3-2 Sead Kolasinac (und diesmal Thilo Kehrer) sowie Alessandro Schöpf sich zunehmend aufreiben, ohne noch großartig Impulse nach vorn oder hinten setzen zu können. Nur die Aufrechnung der zurückgelegten Kilometer reicht da einfach nicht mehr.

Ebenso sorgt dabei die taktische Unbeweglichkeit immer mehr für heftige Kopfschmerzen (zumindest bei vielen Fans!). Je besser die Kontrahenten sich auf dieses System einstellen können, desto wirkungsloser erscheint es. Jeweils ein Außenverteidiger und ein Mittelfeldakteur in diesen Zonen an der Außenlinie sorgen immer wieder für Überzahlsituationen, während die Unterstützung durch die im Zentrum konzentrierten Schalker immer zögerlicher ausfällt. Schließlich sollen sie nach Aussage von Weinzierl ja eben genau dieses Zentrum dichthalten!

Doch ein Überladen auf den Flügeln gelang in Gladbach zu selten, Versuche durch die Mitte (vom Trainer eigentlich verboten!) endeten dagegen im Desaster. Die Blau-Weißen haben damit nicht nur ein Problem mit eingespielten Gegnern, die immer häufiger dank ihrer Kombinationssicherheit punkten können, sondern sind eigentlich noch auf der Suche nach einem zur Mannschaft passenden System.

Dabei darf man allerdings auch nicht vergessen, dass schon die Taktik der Fünferkette eher eine Notlösung darstellte, da aufgrund der Verletzungen des spanischen Neuzugangs Coke sowie von Atsuto Uchida von Anfang an kein Rechter Verteidiger von Format zur Verfügung stand. Daran hat sich bis jetzt offenbar nicht viel geändert, da es weder der ehemalige Mannschaftskapitän des FC Sevilla noch der Japaner bisher wieder auf den Platz oder zumindest die Ersatzbank geschafft haben.

Erinnert man an die weiteren Verletzungen von Naldo und Breel Embolo beispielsweise oder die Rekonvaleszenz der Stürmer Huntelaar und Di Santo, so wird eigentlich auch klar, dass der Trainer neben den Mannen auf dem Spielfeld erschreckend wenige wirkliche Alternativen hat. Von einer eingespielten Mannschaft, die durch Auswechselungen nicht beeinträchtigt wird, ganz zu schweigen.

Doch das alles kann natürlich nicht von der Verantwortlichkeit des Übungsleiters für das Große und Ganze, was da auf dem Platz stattfindet ablenken. Weinzierl, ansonsten vor der Presse eloquent und freundlich, aber auch bestimmt, lässt momentan eher durch Unschlüssigkeit aufmerken. So wird erst Max Meyer nach dem München-Spiel (durchaus zurecht) harsch kritisiert, um einige Tage später genau diese Kritik weichspülend zu relativieren.

Nach dem Gladbach-Spiel waren es die „verbotenen Pässe ins Zentrum“, die er absolut nicht sehen wollte, die seine Spieler aber trotzdem angebracht hatten. Wirklich souverän scheint ein solches mediales Auftreten nicht mehr zu sein, vor allem, wenn der Trainer seine Untergebenen tatsächlich nicht mehr erreichen sollte.

Was aber heißt das jetzt für die nächsten Begegnungen? Noch scheint Sportdirektor Christian Heidel seinem Coach die Stange halten zu wollen, spricht in seinen Äußerungen häufig vom „wir“ und sieht sich auch noch dem Vorwurf ausgesetzt, die Lage schön reden zu wollen.

Was aber passiert, wenn in den nächsten beiden Wochen das Achtelfinale der Euro League verloren geht, was nach der Leistung in Gladbach nicht gerade unwahrscheinlich erscheint und auch in der Bundesliga die Punkteausbeute mau bleibt? Ist dann nach einer Niederlage im Revierderby Anfang April möglicherweise doch schon Schluss für Weinzierl?

Wie unsinnig eine Trainerdiskussion auch immer sein mag, ganz ohne Erfolge ist sie möglicherweise irgendwann nicht mehr zu umgehen. Hoffen wir, dass es nicht so kommt, doch mein Optimismus hält sich in Grenzen. Die Schalker Probleme gründen tiefer, als dass man sie in einigen Tagen lösen könnte.