Was lief 2019 schief bei den Los Angeles Dodgers?

Nach der Niederlage gegen Houston im siebten Spiel der World Series 2017 und gegen Boston im Jahr 2018 sollte 2019 „das“ Jahr werden, in dem sich für die Dodgers alles zusammenfügen würde.

Corey Seager during game against Yankees 9-13-16 (10)
Dodgers-Shortstop Corey Seager

Das Jahr, in dem die Dodgers endlich alles richtig zusammengestellt haben. Dies war die Mannschaft, die die Meisterschaft nach 31 langen Jahren endlich nach Hause bringen würde.

Es hat schon ziemlich lange gedauert, bis ich den sprichwörtlichen Stift gefunden habe, um über die Saison 2019 zu schreiben. Ich sehne mich immer noch nach der alternativen Realität, in der Smiths Homerun über den Zaun flog und die Dodgers das fünfte Spiel mit einem Walk-Off gedreht hätten.

Es wäre das perfekt geskriptete Ende nach einer Saison mit 12 Walk-Off-Siegen gewesen, insbesondere nach den Back-to-Back-to-Back-Rookie-Walk-Off-Homeruns von Matt Beaty, Alex Verdugo und Will Smith im Juni und einem Dave Roberts, der einen großen Homerun von Smith während dieser Serie vorhersagte. So sollte es auch enden. Doch so kam es leider nicht. Und zum vierten Mal in Folge wurden die Dodgers von der Mann-schaft eliminiert, die am Ende die World Series gewann.

Anders als in den letzten Jahren, in denen sie durchs Ziel stolperten, spielte das Team von Anfang an gut. Mit Ausnahme einer Pechsträhne von sechs Spielen in der zweiten April-woche schienen sie nicht unter dem Kater zu leiden, der sie zu einem langsamen Start im Jahr 2018 veranlasste, als sie das ganze Jahr über kämpfen und bis ins Spiel 163 gehen mussten, um die Division zu gewinnen. Dieses Dodgers-Team war auf der Suche nach einer Lösung für noch nicht abgeschlossene Geschäfte und von Anfang an dominierend.

Bestes Dodgers-Team aller Zeiten?
Die meiste Zeit des Jahres habe ich mich bemüht herauszufinden, wie man die 2019er Dodgers charakterisieren kann. An der Oberfläche sah alles gut aus. Diese Dodgers waren ein tolles Team. Einige sagten, sie seien das beste Dodgers-Team aller Zeiten. Dieses Argument wird von den Zahlen zweifellos unterstützt. Sie gewannen ihren siebten NL-West-Titel in Folge mit satten 21 Spielen Vorsprung.

Vor diesem aktuellen Lauf haben es die Dodgers nie länger als zwei Jahre hintereinander in die Playoffs geschafft. Sie setzten einen neuen Franchise-Rekord mit 106 Siegen, übertrafen damit auch den LA-Rekord von 2017 (104) und verdrängten die Brooklyn Dodgers von 1953 sogar um ein Spiel (obwohl das 53er-Team bei nur 154 Spielen einen besseren Gewinnquotienten hatte). Sie erreichten die höchste Run-Differenz in der Liga (+273). Es schien so, als ob sie in praktisch allen wichtigen Batting- und Pitching-Kategorien gewannen oder zumindest in der Nähe der Spitze landeten.

Die 2019er Dodgers waren ein unterhaltsames Team. Sie erzeugten immer ein Gefühl der freudigen Erregung. Ein Gefühl, dass Sie nie wirklich eine schlechte Phase hatten, wie die erstaunlichen 12 Walk-Off-Siege belegen, einschließlich der Back-to-Back-to-Back-Walk-Off-Homeruns der Rookies. Aber so großartig sie auch spielten, irgendwie fühlte sich etwas „unrund“ an. Sie haben mehr Spiele gewonnen als die 2017er Dodgers, und dennoch schienen sie nicht so dominant zu sein. Konstanter vielleicht – sie haben zu keinem Zeitpunkt 16 von 17 Spielen verloren, aber sie hatten auch keinen 43-7-Lauf.

Ein grundlegend fehlerbehaftetes Team
Die Dodgers von 2019 waren zwar ein großartiges Team, aber sie waren auch ein Team mit Mängeln. Und jeder wusste es. Ausgenommen vielleicht das Front Office. Oder vielleicht wussten sie es auch und dachten nur, sie könnten würfeln und so die Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass die Fehler nicht tödlich sein würden. Das war ein Fehler.

Der Bullpen erschien vom ersten Tag an verwundbar und man musste sich zumindest ein paar Sorgen um das Durchhaltevermögen der Startrotation machen. Kershaw, Hill, Ryu und Maeda haben in den letzten Jahren alle einige Spiele wegen Verletzungen verpasst (einige offensichtlich mehr als andere).

Die Offensive
Die Dodgers-Offensive hatte einen schlechten Zeitpunkt gewählt, um ihre Schläger abkühlen zu lassen. Vor allem Corey Seager und Cody Bellinger. Seager erreichte einen Schlagdurchschnitt von nur .150 mit 8 Strikeouts in 21 at bats. Bellinger war mit .211 und 7 Ks in 21 at bats nur unwesentlich besser. Natürlich fällt es schwer, sich einen kälteren Hitter als A.J. Pollocks mit 0 von 13 und 11 Strikeouts vorzustellen. Warum Roberts für ihn nicht früher Kikè Hernandez oder Beaty eingesetzt hatte, ist eh ein Rätsel. Und sicherlich hätte ein gesunder Alex Verdugo Pollock viel früher aus der Batting Order geworfen.

Die Frage wäre ebenso, ob nicht Russell Martin in Spiel 5 hinter der Platte hätte stehen sollen. Martin schnitt in Spiel 3 gut ab und hatte einen starken September hinter sich, als er mit 2 Homeruns und 5 RBIs einen Schnitt von .296 schlug. Im Gegensatz dazu kämpfte Will Smith im September mit 2 Homeruns und 8 RBIs (bei 30 weiteren at bats) nur mit einem Schnitt von .175 und kam in den Playoffs gar nur zu einem Hit bei 13 at bats.

Das Pitching
Inzwischen haben gefühlt eine Million Menschen darüber gesprochen, dass Kershaw eine weitere Postseason verbockt hat. Doch er ist natürlich nicht nur alleine schuld. Seine Leistung in Spiel 1 war nicht dominierend, entsprach jedoch der Lehrbuchdefinition eines Qualitätsstarts. Daher war es sicherlich kein Rohrkrepierer und er hielt die Dodgers im Spiel. Auch hier sehne ich mich nach meiner alternativen Realität, in der Seager mit einem weiteren Bases-Clearing-Double durchkommt, um Spiel 2 mit einem erneuten Walk-Off zu gewinnen. Soviel zu Hollywood Endings.

Spiel 5 ist allerdings eine andere Geschichte. Den Homerun von Anthony Rendon hätte man vielleicht noch verkraften können. Es war kein schlechter Pitch, den er irgendwie tief in der Strikezone getroffen und nur knapp über die Mauer gebracht hatte. Doch an dem Homer von Juan Soto gab es keinen Zweifel. Er hat Kershaw förmlich zerstört. Die Frage dabei ist aber , warum Kershaw Soto überhaupt gegenüberstand, während Adam Kolarek im achten Inning von Spiel 5 im Bullpen saß? Warum aber wurde er nicht eingesetzt? Denn das war so ziemlich der einzige Grund, warum sich Kolarek im NLDS-Kader befand – um Soto auszumachen – was er alle drei Male tat, als er ihm gegenüberstand.

Doch das ist an sich eher wirklich nebensächlich. Das größere Problem ist doch, was Kershaw zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch im Spiel gemacht hat. Nicht dass man Kershaw nicht aus dem Bullpen heraus hätte verwenden können, aber nicht so. Es ist eine Sache, wenn Kershaw nach Walker Buehler eingesetzt wird, wenn dieser nur 4 oder vielleicht 5 Innings geschafft hätte, aber nicht als Buehler bis tief in das 7. Inning gekommen war. An diesem Punkt kehrt man eigentlich besser zu einer „normalen“ Bullpen-Verwendung zurück.

Es werden die Setup-men eingesetzt, um das siebte und achte Inning zu beenden, nachdem Buehler ausgewechselt wurde und dann bringt man seinen Closer. Neben Kershaws bekannten Problemen in den Playoffs kämpfte er in der gesamten normalen Saison im ersten Inning darum, seine Würfe richtig zu justieren und seinen Groove zu finden. Dabei war er anfällig für den Homerun-Ball. Trotz dieser Schwächen wurde er also spät in einer knappen Begegnung eingesetzt und gab prompt zwei Homeruns mit aufeinanderfolgenden Pitches ab. Doch selbst im schlimmsten Fall hat das nur das Spiel ausgeglichen.

Aber es gab ja noch mehr. Joe Kelly! Joe Kelly sollte die Antwort auf die Bullpen-Schwächen der Dodgers sein. Er sollte in Situationen mit hohem Druck oder als Setup-Mann eingesetzt werden, um zu Kenley Jansen zu gelangen. Und tatsächlich beendete er das 9. Inning ohne einen Runner der Nationals zuzulassen. Dann aber brachten sie ihn zum 10. Inning wieder. Und sie nahmen ihn nicht raus, als er alle Bases lädt und einen Grand Slam erlaubt. Die ganze Zeit mit Kenley Jansen im Bullpen. An diesem Punkt wäre es wohl manchem lieber gewesen, wenn Russell Martin geworfen hätte als Joe Kelly weiterhin drin zu lassen.

Die Quintessenz
Die Dodgers boten ein hartes Matchup für eine Serie mit fünf Spielen. Die Nationals waren ein gutes Team mit einem dreiköpfigen Monster an der Spitze der Rotation, das zum richtigen Zeitpunkt heiß lief. Das war eine schwierig zu überwindende Kombination.

Doch die NLDS war die Dodgers-Serie, die es eigentlich zu gewinnen galt und die sie trotzdem verloren haben. Bleibt die Hoffnung, dass sie diesmal aus ihren Fehlern lernen und endlich die notwendigen Änderungen in der Winterpause vornehmen, um 2020 zu guter Letzt doch noch alles zu gewinnen.