Schalke 04: Eine weitere desaströse Auswärtsfahrt

Man sollte eigentlich immer schon aufmerken, wenn vor Schalker Spielen in den Medien die Phrase „Drei Punkte sind diesmal Pflicht“ postuliert wird. Denn die jüngere Vergangenheit hat wohl des Öfteren bewiesen, dass dieser Forderung eher nur selten wirklich Taten folgen.

Shalke tran (6)
Ein etwas bedröppelt dreinschauender Roman Neustädter nach einer der (zu) zahlreichen Niederlagen in dieser Saison

Genau so geschah es denn auch am letzten Samstag in Ingolstadt, wo man angesichts der schweren bevorstehenden Partien gegen den BVB, in München und gegen Verfolger Leverkusen schon beinahe gebetsmühlenartig diese Notwendigkeit beschwor.

Doch vor den verdienten Lohn wird nun mal in der Regel eine gehörige Portion Schweiß gesetzt, ohne die es gerade bei den „Schanzern“ aus Oberbayern nicht funktioniert, wie bereits einige andere Bundesligisten schmerzvoll feststellen konnten.

Die Truppe um Trainer Ralph Hasenhüttl bedient sich dabei aus dem üblichen „Instrumentarium“ eines Aufsteigers, es wird mit allen Mitteln um jeden Quadratzentimeter Rasen gekämpft, getreten und zerstört was das Zeug hält. Gleichwohl „wackeln“ die Spieler erheblich, jeder Rempler des Gegners schickt sie zu Boden in dem Versuch, einen Freistoß herauszuholen. Zur Ehrenrettung der Ingolstädter sei aber auch noch angemerkt, dass sie ein sehr hohes, laufintensives Pressingsystem praktizieren, mit dem sie äußerst effektiv das Aufbauspiel der jeweiligen Kontrahenten behindern können.

Ein unbequemer und schwer zu bespielender Widersacher also, der zudem im eigenen Stadion wenig zulässt und seit fünf Begegnungen dort nicht mehr verloren hatte. Warnung genug für die Schalker, dass es nur mit voller Konzentration und genügend Einsatz etwas zu holen gäbe.

Nun ja, wir kennen jetzt das Ergebnis dieses Spiels und wissen auch, wie es zustande gekommen ist und das die Gelsenkirchener mehrheitlich eine andere Taktik gewählt hatten, die leider nicht zum Erfolg führte.

Trotz ordentlichen Beginns und zweier Großchancen verlegte man sich nämlich nach der ersten nennenswerten Ingolstädter Aktion (dem Schinden eines äußerst fragwürdigen Elfmeters) offenbar darauf, den Gegner mit größtmöglicher Passivität zu paralysieren und so aus dem vielfach geübten Konzept zu bringen.

Doch leider ließen sich die Schanzer durch diese besondere „Heimtücke“ nicht wie vorgesehen irritieren und nutzten stattdessen ihre einzige herausgespielte Großchance zum 2:0 quasi mit dem Pausenpfiff. Es wäre den mitgereisten Schalker Fans einiges erspart geblieben, wenn die Mannschaft von Trainer Andrè Breitenreiter nun das aufgrund der besonderen Situation in Ingolstadt (es hat in dieser Saison glaube ich überhaupt noch kein Gegner dort mehr als zwei Tore erzielt, und schon gar nicht in einer Halbzeit) einzig richtige getan und ihre Sachen gepackt hätte und nach Hause gefahren wäre.

Denn wie schon so oft bot sie nach dem Pausentee nur noch wenig Gegenwehr, und auch die Einwechselungen änderten daran nicht wirklich etwas. Stattdessen muss man sich fragen, wie und warum es dazu kommen konnte, dass ein Team mit internationalen Ansprüchen eine solche Anti-Leistung ablieferte. Warum gerade die erfahrenen Akteure wie Dennis Aogo (29 Jahre, ca. 200 Bundesliga-, 12 Länderspiele), Roman Neustädter (28, 175 Bundesligaspiele), Eric Maxim Choupo-Moting (27, ebenso 175 Bundesligaeinsätze, 40 Länderspiele für Kamerun) und Franco Di Santo (26, 74 Bundesliga- und ca. 120 Premier-League-Spiele) als Erste abtauchten.

Sicherlich kann man sich nun natürlich auch auf den Trainer einschießen, der möglicherweise ebenfalls einen Teil zu diesem Desaster beigetragen hat. Man kann seine Aufstellung kritisieren, doch ob es mit Klaas-Jan Huntelaar, Alessandro Schöpf, Younes Belhanda, Pierre-Emile Hojbjerg oder Sascha Riether von Anfang an wirklich großartig anders gelaufen wäre, sei noch dahin gestellt. Man kann seine Taktik kritisieren, doch es erscheint mir immer offensichtlicher zu werden, dass es eher daran hapert, ob diese überhaupt auf dem Platz umgesetzt wird.

Der Offenbarungseid von Ingolstadt erinnert vielmehr fatal an ähnliche Auftritte in den Endphasen der Schaffenszeiten von Breitenreiters Vorgängern. Die Übungsleiter haben danach gewechselt, die Tendenz zu unterirdischen Leistungen aber blieb anscheinend. Also muss man doch logischerweise die Hauptursachen nicht wieder bei dem aktuellen Trainer, sondern woanders suchen.

Und da kann man recht schnell fündig werden: es geht nämlich vor allem um die inzwischen schmerzliche Suche des S04 nach wirklichen Führungsspielern. Akteuren nämlich, die mit Wort und Tat auf und neben dem Platz vorangehen, anstatt darauf zu warten, dass andere diesen Job übernehmen.

Der Letzte, der diese Aufgabe wirklich uneingeschränkt ausfüllen konnte, war der inzwischen schon zur Legende aufgestiegene Raul. Danach folgte das eher unrühmliche Kapitel um Kevin-Prince Boateng, und der einzige, der dem Anforderungsprofil eines Führungsspielers momentan noch am ehesten nahekommt, nämlich Benedikt Höwedes, ist nun schon seit längerem verletzt.

So einfach kann man das derzeitige Dilemma der Schalker auf den kleinsten Nenner herunterbrechen: es ist schlicht die Folge einer immer weiter missratenen Kaderpolitik, die über Jahre hinweg einzig dem Gutdünken der Vereinsführung und des Managers und Sportvorstandes Horst Heldt folgte. Während andere Klubs schon längst umgeschwenkt waren und eine Symbiose von Trainer und Management bei der Kaderplanung eingingen (bestes Beispiel dafür sei unser unbeliebter Revierrivale und sein ehemaliger Übungsleiter Jürgen Klopp), ließ Schalke nicht ab von dieser Methodik, einem Trainer eine „fertige“ Mannschaft zur Arbeit zu übergeben.

Die Scherben dieser Politik sind nun wieder einmal zu bewundern. Und ob nun der Trainer Keller, Di Matteo, Breitenreiter oder auch Markus Weinzierl heißt, ändert an dieser Tatsache erst einmal so gut wie nichts. Zumal die momentane Platzierung des FC Augsburg (16.) ebenso beweist, dass auch Weinzierl kein Zauberer ist.

Doch halt, jetzt haben wir doch den neuen Besen Christian Heidel, der zur neuen Saison den Hof der Kaderplanung sehr viel besser fegen soll. Bleibt zu hoffen, dass es ihm gelingt, einen großen Teil seiner Erfolge beim FSV Mainz 05 auch auf seinen zukünftigen Verein zu übertragen.

Bis dahin werden wir wohl diese Art des Fußballs als Wundertüte noch einige Male über uns ergehen lassen müssen. Wie bei einem Pendel geht es mal vor und wieder zurück. Was wollen wir wetten, dass es am Sonntag im Derby gegen den BVB wieder zu unseren Gunsten ausschlägt?