Der 15. September wird bereits den sechzehnten Jahrestag des erschütternden Niedergangs in die Finanzkrise markieren – als die riesige Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden musste und der größte Versicherer der USA, die AIG zeitig folgen würde.

Hauptgebäude von Lehman Brothers am Times Square, New York 2006
Niemand war sich sicher welches Finanzinstitut als nächstes fallen könnte. Das Bankensystem begann einzufrieren. Die Banken verlängern normalerweise ihre kurzfristigen Kredite für einige hundertstel Pro-zentpunkte mehr als die Kreditaufnahme der Bundesregierung sie kosten würde. Diese Lücke explo-dierte nach dem Zusammenbruch von Lehman um 4 oder 5 Prozentpunkte.
Der damalige Chef der Federal Reserve (Fed) Ben Bernanke – zusammen mit Finanzminister Henry Paulson und dem Präsidenten der Fed New York Timothy Geithner – eilten zum Kongress, um 700 Milliarden Dollar für die Bankenrettung zu erhalten. „Wenn wir das heute nicht tun, werden wir am Montag keine Wirtschaft mehr haben“, so der berühmte Ausspruch von Bernanke.
Das Trio argumentierte gegenüber den Politikern, dass die Vereinigten Staaten ohne das Rettungspaket einen katastrophalen Zusammenbruch des Finanzsystems und eine zweite Große Depression erleben würden. Doch kein Teil dieser Geschichte war wirklich wahr.
Immerhin hatten Nachrichtenberichte über die Krise die Aussicht auf leere Geldautomaten und unge-deckte Schecks entfacht. Es gab Geschichten in den großen Medien über die Bank Runs von 1929.
Ein solches Szenario existierte aber 2008 einfach nicht. Im Gegensatz zu 1929 haben wir heute die Federal Deposit Insurance Corporation. Die FDIC wurde ins Leben gerufen, um Bank Runs zu ver-hindern, die während der Großen Depression und früheren Finanzpaniken üblich waren.
Die FDIC ist sehr gut darin, eine gescheiterte Bank zu übernehmen um sicherzustellen, dass die Schecks eingehalten werden und die Geldautomaten weiter funktionieren. In der Tat hatte die FDIC während der Großen Rezession mehrere große und viele kleinere Banken übernommen.
Das Geschäft wurde normal weitergeführt, und die meisten Kunden – sofern sie die Nachrichten nicht genau verfolgten – waren sich dessen nicht einmal bewusst.
Wären Bankzusammenbrüche weiter verbreitet und damit die FDIC-Einlagen ausgedünnt worden, wäre es sicher möglich gewesen, dass es zu Störungen hätte kommen können. Dies hätte zu einer gewissen Unfähigkeit führen können, sofort auf Bankkonten zuzugreifen, aber diese Unannehmlichkeiten hätten höchstwahrscheinlich nur Tage und nicht Wochen oder Monate gedauert.
Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers wies das obige Trio, welches den Bankenrettungs-prozess anführte, auf einen spezifischen Krisenherd hin: den Commercial-Paper-Markt (Geldmarkt). Commercial Paper (Geldmarktpapiere) sind kurzfristige Wertpapiere (30 bis 90 Tage Laufzeit), die Unternehmen typischerweise zur Finanzierung ihrer Geschäfte verwenden.
Ohne in der Lage zu sein, auf diesem Markt Kredite aufzunehmen, wären selbst gesunde Unternehmen, die nicht direkt von der Finanzkrise betroffen waren wie etwa Boeing oder Verizon nicht in der Lage gewesen, ihre Gehälter auszuzahlen oder die Forderungen ihrer Lieferanten zu begleichen. Das wäre wirklich eine Katastrophe für die Wirtschaft gewesen.
Ein 700 Milliarden Dollar schweres Bankenrettungsprogramm war jedoch nicht erforderlich, um den Markt für Commercial Paper wiederherzustellen. Das Land hatte diese Tatsache am Wochenende nach der Billigung des Rettungspakets entdeckt, als die Fed eine Sonderkreditlinie ankündigte, um Commercial Papers zu kaufen, die die Verfügbarkeit von Krediten für Unternehmen sicherstellten.
Ohne die Rettungsaktion wären Bankausfälle weiter verbreitet gewesen und der anfängliche Ab-schwung in den Jahren 2008 und 2009 wäre schlimmer gewesen. Wir verloren nach dem Zusammen-bruch von Lehman monatlich 700.000 Arbeitsplätze.
Vielleicht wären das 800.000 oder 900.000 pro Monat gewesen. Das ist eine sehr schlechte Geschichte, aber immer noch nicht das Ergebnis einer unvermeidlichen Depression mit einem Jahrzehnt zwei-stelliger Arbeitslosigkeit.
Die Große Depression der 1930er endete wegen der massiven Regierungsausgaben, die notwendig waren, um den Zweiten Weltkrieg auszufechten. Aber wir brauchen keinen Krieg, um Geld auszugeben.
Wenn der private Sektor keine ausreichende Nachfrage nach Arbeitskräften schafft, kann die Regierung die Lücke füllen, indem sie Geld für Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsfürsorge, Kinderbetreuung oder viele andere Bedürfnisse ausgibt. Joe Biden hatte dies endlich richtig erkannt, allerdings mit einer sehr langen Verzögerung.
Es gibt keine plausible Geschichte, in der eine Reihe von Bankenzusammenbrüchen in den Jahren 2008-2009 die Bundesregierung daran gehindert hätte, die zur Vollbeschäftigung erforderlichen Gelder auszugeben.
Die Aussicht auf Arbeitslosigkeit und Suppenküchen nach Art der Großen Depression war nur eine Panikmache, die Bernanke, Paulson und andere Befürworter des Rettungspakets nutzten, um die politische Unterstützung zu erhalten, die nötig war um die Wall Street Banken zu retten.
Diese hielt die aufgeblähte Finanzstruktur, die sich in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt hatte am Leben. Und sie ermöglichte es den Bankern, die von den riskanten zur Krise führenden Finanzpraktiken reich geworden waren, den Konsequenzen ihrer Handlungen auszuweichen.
Während ein geordneter Übergang am besten gewesen wäre, mit dem der Markt seine Magie hätte entfalten können, um die Blase im Finanzsektor schnell zu beseitigen und die skrupellosen Wall Street-Banken in den Mülleimer der Geschichte zu schicken.
Stattdessen litten Millionen von Amerikanern lange Zeit noch immer unter der Großen Rezession, verloren Häuser und Arbeitsplätze und die großen Banken waren mächtiger als je zuvor. Die Rettung der Banken wurde zur Priorität des Präsidenten und des Kongresses. Es blieb viel weniger oder gar nicht wichtig, die Häuser und Arbeitsplätze der Menschen zu retten.
(Eigene Übersetzung eines schon älteren Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen Dean Baker)