Warum mehr Staatsausgaben aus den USA nicht Venezuela machen können

Wenn ärmere Staaten der Inflation zum Opfer fallen, bedeutet das keinesfalls, dass sie „zu sozialistisch“ sind.

Zimbabwe $100 trillion 2009 Obverse
Banknote aus Simbabwe

Die zunehmende Popularität der Modern Monetary Theory (MMT) hat unweigerlich zu Missverständnissen geführt. Kritiker aus dem gesamten politischen Spektrum behaupten oft, dass MMTler wollen, dass souveräne Regierungen „nur Geld drucken“, ohne sich um die Staatsverschuldung oder, wie es etwa Max B. Sawicky anmerkt die Inflation Sorgen zu machen.

Einige, besonders von rechts, verweisen auf Venezuela und Simbabwe als klassische Fälle von Hyperinflation.

Die MMT weist jedoch auf eine ganz andere Hauptursache für die Inflation in den Ent-wicklungsländern hin: nicht die Inlandsausgaben, sondern die Auslandsverschuldung und die daraus resultierende mangelnde „Währungssouveränität“.

Ein Land hat volle Währungshoheit, wenn es eine eigene Landeswährung besitzt, die nicht an den Goldwert oder die Währung eines anderen Staates gebunden ist. Die Regierung verwendet diese Währung, um Steuern, Gebühren und Geldbußen zu verhängen; und alle ihre Schulden sind in dieser Währung zahlbar.

Länder, die diese Kriterien erfüllen wie etwa die Vereinigten Staaten und Japan sehen sich keinen externen Beschränkungen für die Staatsausgaben gegenüber, wie Pavlina R. Tcherneva erklärt. Das Inflationsrisiko bleibt unter Kontrolle, solange die Staatsausgaben nicht die realen Produktionskapazitäten der Wirtschaft übersteigen – also die Verfüg-barkeit von physischen Ressourcen, qualifizierten Arbeitskräften, Ausrüstung und technischem Know-how.

Für Entwicklungsländer beginnt das Problem erst mit Handelsdefiziten und daraus resultierenden Fremdwährungsschulden.

Diese Defizite sind das Produkt grundlegender wirtschaftlicher Mängel, die selbst oft ein Erbe der Kolonialherrschaft darstellen. Postkoloniale Länder sind in der Regel nicht in der Lage, genügend Nahrungsmittel und Energie zu produzieren, um den einheimischen Bedarf zu decken und haben daher strukturelle industrielle und technologische Defizite.

Aus diesem Grund müssen sie Lebensmittel und Energie sowie wichtige Produktionsmittel importieren. In Venezuela mangelt es beispielsweise an Raffinierungskapazitäten. Während der Staat Rohöl exportiert, muss er teureres raffiniertes Öl importieren, was zu Handelsdefiziten beiträgt.

Mehr Importe als Exporte führen dazu, dass die Währungen dieser Länder gegenüber den Hauptwährungen der Welt abgewertet werden. Mit einer schwächeren Währung werden Neuimporte (wie Lebensmittel, Treibstoff und Medikamente) relativ teurer. Dieses Ungleichgewicht ist der eigentliche Treiber der Inflation und häufig auch der sozialen und politischen Unruhen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) griff in der Vergangenheit in solchen und ähnlichen Situationen mit Notkrediten und schmerzhaften Sparmaßnahmen ein. Um aus den IWF-Bedingungen herauszukommen, priorisierten selbst progressive Politiker in der Regel den Erwerb von Fremdwährungsreserven, um Auslandsschulden damit zu begleichen.

Heute noch fördern sie den Tourismus (Touristen bringen Fremdwährung) und gestalten Agrar- und Produktionsstrategien entsprechend, um die Exportindustrie zu unterstützen. In der Zwischenzeit erhalten Industrien, die Autarkie aufbauen (und damit das Handelsungleichgewicht ausgleichen), wie Lebensmittel für den inländischen Verbrauch nur geringe staatliche Unterstützung. All dies verringert die Selbstversorgung und verstärkt die Abhängigkeit von ausländischen Gütern, die die Schulden überhaupt verursacht haben.

Die meisten Entwicklungsländer, die nach Devisen suchen, öffnen ihre Volkswirtschaften auch für Investitionen ausländischer Unternehmen, indem sie niedrigen Umwelt-standards, schwachen Arbeitsvorschriften und Steuerbefreiungen zustimmen und so das Loch immer tiefer graben.

Wie würde eine MMT-gestütze Lösung aussehen, um den Entwicklungsländern dabei zu helfen ihre Geldpolitik wiederzugewinnen und Ausgaben für inländische Prioritäten einzusetzen? Ziel ist es, die Importe zu reduzieren, eine günstige Handelsbilanz zu sichern und die Schulden zu begleichen, damit sich die Länder auf die Hauptursachen der Handelsdefizite konzentrieren können:

In nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken (wie etwa die Aquaponik) zu investieren um die Ernährungssouveränität wiederherzustellen; erneuerbare Energien (wie Sonnenenergie) aufzubauen um die eigene Energiehoheit zu sichern; in Bildung, Forschung und Entwicklung zu investieren, um die Produktivität zu steigern und die Fähigkeit zu erlangen wertvollere Produkte herzustellen. Eine solche Entwicklung würde auch die reale Produktionskapazität der Wirtschaft erhöhen, was bedeuten würde, dass die Regierungen mehr Spielraum hätten, um ohne Inflationsängste Geld auszugeben.

Die MMT beleuchtet somit die Ursprünge postkolonialer wirtschaftlicher Kämpfe und zeigt uns dabei auch, wie wir sie am besten überwinden können.

(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des Ökonomen Fadhel Kaboub)