Warum die Reichen keine Steuern zahlen

Hinter dem bürgerlichen Ideal der Besteuerung als kollektives, gerechtes Unterfangen verbirgt sich eine tief verwurzelte Heuchelei: Die Architektur moderner Steuergesetze dient nicht dem Gemeinwohl, son-dern der Konsolidierung des privaten Vermögens.

Die Progressivität der Einkommensteuer wird in den obersten Stufen ausgehöhlt, wo das Einkommen größtenteils aus Kapital stammt – zu Vorzugssätzen besteuert, die Eigentum gegenüber Arbeit beloh-nen. Diese Ungleichheit wird durch den Zugang der Wohlhabenden zu Anwälten und Finanzberatern noch verschärft.

Für die lohnabhängige Mehrheit sind solche Privilegien unerreichbar. Das System ist in einem Teufels-kreis manipuliert: Reichtum kauft Macht, Macht schreibt die Regeln, und die Regeln schützen den Reichtum. Das Ergebnis ist ein regressives System, das die Steuerlast auf die einfachen Bürger abwälzt, öffentliche Dienstleistungen aushungert und die Grundlagen der Demokratie untergräbt.

Hinter der Rhetorik der progressiven Besteuerung verbirgt sich ein grundlegender Widerspruch. Obwohl die Steuersysteme nominell darauf ausgelegt sind, höhere Beiträge für höhere Einkommen zu erheben, bevorzugen sie in der Praxis die Zusammensetzung des Vermögens der Reichen. Kapitalgewinne, Divi-denden und Carried Interest – die Haupteinnahmequellen der Elite – werden zu deutlich niedrigeren Sätzen besteuert als Löhne und Gehälter.

Wie Thomas Piketty in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ gezeigt hat: Wenn die Kapital-renditen ständig höher sind als das Wachstum der Wirtschaft, vertieft eine kapitalbegünstigte Besteu-erung unweigerlich die Ungleichheit. Was als fiskalische Neutralität dargestellt wird, reproduziert in Wirklichkeit eine Klassenhierarchie unter dem Deckmantel der Fairness.

1991 setzte Schweden das um, was seither als die Steuerreform des Jahrhunderts bezeichnet wird. Diese Reform stellte eine tiefgreifende Umstrukturierung des schwedischen Steuersystems dar, die zu einer erheblichen Verringerung der Gesamtsteuerbelastung führte. Der Körperschaftsteuersatz, der Ende der 1980er Jahre noch bei rund 60 Prozent gelegen hatte, wurde schrittweise gesenkt und liegt heute bei rund 21 Prozent.

Ein zentrales Merkmal der Reform war die Trennung der Besteuerung von Kapitaleinkünften von der Besteuerung von Erwerbseinkommen. Für bestimmte Kategorien von Kapitaleinkünften wurde der anwendbare Steuersatz auf 20 Prozent gesenkt.

Parallel dazu wurden die Erbschafts- und Vermögenssteuern abgeschafft, während die Grundsteuer in eine nahezu pauschale Abgabe umgewandelt wurde. Durch die Einführung des Anlagesparkontos (ISK) wurde die effektive Besteuerung von Kapitalerträgen aus Börsenanlagen weiter verringert.

Zusammengenommen führten diese Maßnahmen zu einem deutlichen Rückgang sowohl der Körper-schafts- als auch der Kapitalsteuer und trugen zu einem deutlichen Rückgang der Gesamtsteuerquote Schwedens bei – von rund 50 % des BIP im Jahr 1990 auf etwa 40 % heute.

Es überrascht nicht, dass diese Veränderungen den Unternehmen und Kapitalbesitzern überpropor-tional zugute gekommen sind, während die finanzielle Last dieser neoliberalen „Reformen“ zu einem überwältigenden Teil von den einfachen Lohnabhängigen getragen wurde.

(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des schwedischen Ökonomen Lars Syll)